Für Paula und Frederik
Kleine Geschichten für Kinder
Inhalt:
Der kleine Schwan Emma und das Krähenkind Blacky
Bea und das kranke Häschen
Loulou, die kleine Möwe
Die zwei blauen Tauben von Bammental
Die Rehe vom Fischersberg
Der verletzte Storch
Der schwarze Stier Torofort und das weiße Pferd Blanche
Die Meisen und die böse Elster
Karlchen, der kleine Igel
Die Flamingos und die Kraniche in der Camargue
Der Wolf und das Mädchen Paula
Weihnachten der Tiere
Eine Leiter auf den Mond
Mit den Vögeln fliegen
Zwei Kinder im Garten
Das Mädchen und die Tiere im Käfig
Osterhasen aus Frankreich
Der verletzte kleine Vogel
Die schwarze Amsel mit dem gebrochenen Flügel
Das Einhorn, das Keinhorn und das Zweihorn
Geschichten nach Ideen von Paula
Illustriert von Marion
Der kleine Schwan Emma und das Krähenkind Blacky
Seit vielen Jahren lebt in Neckargemünd am Ufer der Elsenz eine Schwanenfamilie.
Die Menschen sind freundlich zu den Schwänen und die Kinder füttern sie mit trockenem Brot.
Auf einer alten Eiche am Flussufer hat auch eine Krähenfamilie ihr Zuhause eingerichtet. Natürlich versuchen die Krähen auch etwas von dem Brot abzubekommen.
Doch die Menschen verscheuchen die schwarzen Gesellen und bewundern die weißen Schwäne, wenn sie majestätisch das Ufer entlang schwimmen.
Jedes Frühjahr bauen Vater und Mutter Schwan aus Reisig ein großes Nest neben der Tiefgarage und Frau Schwan legt ein halbes Dutzend große Eier in das weich gepolsterte Nest. Wieder freuen sich die Menschen und bewundern das Schwanenhaus. Sogar die Hunde sind neugierig, sie wollen auch erkunden, was hier geschieht. Bea wagte sich einmal ganz nach vorne und bekam den Schnabel der Schwanenfrau zu spüren.
Die Krähenfrau saß auf ihrem Baum und beobachtete das Spektakel. Sie sagte zu ihrem Mann: „Einmal so beliebt sein wie diese arroganten Schwäne, das wäre schön“.
Auch die Krähenfamilie baute wie jedes Jahr ihr Nest auf der hohen Eiche und Frau Krähe legte ihre schwarz gepunkteten Eier darin ab. Nur ein Ei hob sie sich auf und als Frau Schwan einmal das Nest verließ, um noch etwas von dem frischen grünen Gras am Ufer zu verzehren, trug sie ihr Ei blitzschnell in das Schwanennest.
Nach drei Wochen hörte man auf der Eiche das Geschrei der kleinen schwarzen Krähen, aber auch im Schwanennest tat sich etwas. Aus den Eiern schlüpften sieben Wollknäuel, sechs waren grau, aber eines war ganz dunkelgrau, ja fast schwarz.
Der Schwanenvater und die Schwanenmutter brachten alles Mögliche an Essbarem zum Nest und die Kleinen wuchsen und gediehen. Nur eines war kleiner als die anderen und die Farbe seines Flaumes war schwarz.
Natürlich fiel das auch den anderen Schwanenkindern auf und sie verspotteten das kleine, schwarze Knäuel. Sie riefen: „Du bist wohl vom Baum gefallen, du kleiner hässlicher Rabe.“
Nur das Schwanenkind Emma war freundlich zu ihrem kleinen schwarzen Bruder, den sie Blacky nannte. Sie strich ihm die Federn zurecht und tröstete ihn, wenn die andern ihn ärgerten.
Eines Morgens sagte die Schwanenmutter zu ihren Kindern: „Raus aus dem flauschigen Nest, heute ist Schwimmunterricht angesagt.“
„Endlich“ riefen die übermütigen Schwanenjungs und sie eilten zum Ufer der Elsenz. Die Mädchen folgten ihnen. Nur das kleine schwarze Nesthäkchen zögerte. Es setzte vorsichtig seinen Fuß ins Wasser und schreckte zurück: „Das ist ja nass und kalt, ich habe Angst “, rief es. Die anderen kleinen Schwäne lachten es aus. Nur das Schwanenkind Emma nahm den kleinen Blacky am Flügel und sagte zu ihm: „Ich helfe dir, hab keine Angst. Steige auf meinen Rücken und halte dich fest.“
Das tat das kleine schwarze Knäuel.
Und so schwammen sie die Elsenz hinunter bis zum Neckar und wieder zurück. Die Menschen bewunderten die Freundschaft zwischen dem kleinen Schwan und dem kleinen Raben. Das Federkleid des Schwanenkindes wurde immer weißer und im Herbst war das Gefieder des kleinen Raben pechschwarz, aber Freunde waren sie immer noch.
Auch Paula und Bea standen am Elsenzufer und freuten sich und sahen den beiden nach, wenn sie vorbeischwammen, der weiße Schwan und auf seinem Rücken der schwarze Rabe.
Und wer sie noch nicht gesehen hat, muss es sich vorstellen, dass es so sein könnte.
Bea und das kranke Häschen
Auf einer grünen Wiese nahe am Meer spielten jeden Abend die Kaninchen.
Wenn aber Paula mit Bea vorbei kam, fürchteten sich die kleinen Kaninchen und rannten blitzschnell in ihren Bau. Da waren sie sicher, denn sie wussten, dass Bea ein Jagdhund ist, der den Häschen hinterher rennt.
Nur eines der Kaninchen rannte nicht weg, denn es war krank. Seine Augen waren geschwollen und es konnte nicht sehen.
Es hoppelte den Weg entlang, direkt auf Bea zu.
Paula hatte anfangs Angst, Bea würde dem kleinen Kaninchen wehtun. Weit gefehlt, denn Bea sah sofort, dass das Häschen nicht sehen konnte, da seine Augen verklebt waren.
Sie näherte sich vorsichtig dem kleinen Hasen und sagte: „Hab keine Angst, ich möchte dir nur helfen.“
Das Häschen hatte furchtbare Angst, aber an Weglaufen war nicht mehr zu denken, also fügte es sich seinem Schicksal. Bea sah sich die Sache näher an und begann mit ihrer langen Zunge, die Augen des kleinen Hasen zu säubern. Das tat dem Häschen gut. Nach einer Weile sagte es artig „danke“ und hoppelte zu seinen Geschwistern, die verdutzt guckten. Die Kaninchenmutter sagte: “Ich hatte eine Höllenangst, dass dieser rote Hund dich verletzten könnte, aber scheinbar gibt es auch liebe Jagdhunde.“
Am nächsten Abend, als Paula wieder mit Bea zu der Wiese ging, wartete das kleine Kaninchen bereits auf die beiden und sagte: „Hallo Bea, deine Pflege hat mir gut getan, ich kann jetzt schon wieder fast richtig sehen. Danke.“
Bea putzte auch an diesem Abend wieder die Augen des kleinen Hasen. Dieser bedankte sich wieder artig und verschwand nach einer Weile im Bau.
Am dritten Tag wurde Bea und Paula schon von der ganzen Kaninchenschaar erwartet. Auch die anderen sahen jetzt, dass sie sich vor Bea nicht fürchten mussten, obwohl sie ein Jagdhund ist.
Die Kaninchenmutter sagte zu Bea: „Weil du meinem Kind geholfen hast, wollen wir dir zu Ehren einen Tanz aufführen. Die Kaninchen sangen und tanzten: „Danke, danke lieber Hund, bleib noch lange fit und auch gesund.“
Bea war hoch erfreut über diese Ehre, sie legte sich ins Gras und sah dem Treiben zu. Paula saß daneben auf einem Baumstumpf und streichelte ihr ganz sanft über den Kopf.
Dann bedankte sich Bea für den Tanz und begleitete Paula nach Hause, denn die Mama wartete schon mit dem Abendbrot.
Loulou, die kleine Möwe
Der Strand am Boucanet ist ein Tummelplatz für Möwen. Sie brüten auf dem Dach des nahen Krankenhauses und abends und morgens ziehen die Möwenfamilien den Strand entlang und sammeln Krebse und Muscheln auf, die das Meer herausgespült.
Wenn das nicht reicht, schwimmen sie ins offene Meer, um Fische zu fangen.
Sie freuen sich aber auch über die vielen Brot- und Kuchenhäppchen, die ihnen im Sommer die Badegäste zuwerfen.
Besonders die jungen Möwen mit grauem Gefieder nehmen diese Geschenke gerne an.
Eine Möwe war besonders zutraulich, die Kinder nannten sie Loulou.
Loulou hatte keine Lust Muscheln zu sammeln oder geschweige im Meer nach Fischen zu tauchen. Sie wartete jeden Morgen, bis die Familien mit ihren Kindern an den Strand kamen, stieß dann einen hellen Schrei aus und schon flogen die ersten Häppchen durch die Luft, manchmal direkt in den Schnabel Loulous.
Im Laufe des Sommers eignete sich die kleine Möwe lustige Kunststücke an, um die Menschen zu beeindrucken. Sie malte mit ihrer Zehe Figuren in den Sand oder sprang im Kreis herum mit weit ausgestrecktem Hals. Die Leckerbissen ließen daraufhin nicht lange auf sich warten.
Ihre Geschwister, die mit den Eltern schon regelmäßig auf das offene Wasser schwammen, um Fische zu fangen, beneideten Loulou, da alle Kinder verrückt nach Loulou waren und die anderen Möwenkinder nichts von den Leckerbissen abbekamen.
Langsam ging der Sommer zu Ende, die Schule begann und die Badegäste fuhren wieder nach Hause.
An manchen Tagen war der Strand menschenleer und Loulou hungerte. Mit knurrendem Magen machte sie sich auf, um Krebse und Muscheln zu sammeln. Dies fiel ihr recht schwer, da ihr die Übung fehlte. Ihre Geschwister amüsierten sich über ihre tollpatschige Art, das tat ihr besonders weh.
Eines Tages hatte ihr Vater, ein kluger, bedächtiger Möwenmann genug davon. Schließlich liebte er Loulou genauso wie seine anderen Möwenkinder.
Wenn die anderen Möwen auf das offene Meer schwammen, blieb er zurück und brachte Loulou im seichten Wasser das Schwimmen bei. Er lehrte sie auch mit viel Geduld, wie man taucht und dabei Fische fängt.
Nach einer Woche war es geschafft. Eines Morgens, als die Möwenfamilie sich aufmachte, um hinauszuschwimmen, war auch Loulou auch dabei. Die Geschwister guckten verdutzt, als sie sahen, wie gut Loulou schwimmen konnte.
Am Abend flog sie zufrieden und satt mit ihrer Familie auf das Dach eines Hochhauses, um zu schlafen. Die frischen Fische schmeckten doch besser als das trockene Brot, welches ihr die Kinder zuwarfen. Dazu kam noch, dass sie den ganzen Tag mit ihrer Familie verbracht hat und keine Kunststücke für die Kinder zum Besten geben musste. Im folgenden Sommer blieb sie weit weg vom Strand auf den großen Steinen sitzen und verfolgte das Spiel der Kinder am Strand. Jetzt war sie eine richtige coole Möwe wie viele Generationen vor ihr es waren.
Später, als sie selbst Kinder hatte, achtete sie darauf, dass die Kleinen nicht zwischen den Menschen herumstreunten. Sie führte sie schon frühmorgens zum Wasser und lehrte sie das Fischen. Sie sollten lernen von ihrer Arbeit zu leben und nicht herumzulungern.
Die zwei blauen Tauben von Bammental
In Bammental lebten in einem Taubenschlag in der Ecke eines Hausgartens, von der Welt vergessen, zwei alte Taubenweibchen.
Vor vielen Jahren war das Taubenhaus von zahlreichen stolz gurrenden Tauben bevölkert, die ein und aus flogen, hier ihre Jungen großzogen und ihnen nachher das Fliegen beibrachten.
Es war eine Freude zu sehen, wie sie zum blauen Himmel hochstiegen und im Sturzflug nach unten glitten, um kurz vor dem Boden wieder aufzusteigen.
Das Taubenglück währte aber nicht lange, denn am Hollmuth, einem kleinen Bergwald am Ortsrand, hatte sich ein Habichtspaar angesiedelt.
Die Habichte dachten, der Himmel über Bammental würde ihnen gehören. Blitzschnell griffen sie die Tauben an, töteten sie und brachten sie ihren gefräßigen Jungen.
Im Taubenhaus war die Trauer groß, da besonders die jungen bunten Täubchen von den Habichten gejagt wurden. Sie trauten sich tagsüber gar nicht mehr ins Freie, da nach Sonnenaufgang die Habichte stets unterwegs waren. Also flogen sie nur noch früh morgens und spät abends durch die Luft, um nicht entdeckt zu werden.
Doch auch das half nicht, da die Habichte das schnell herausfanden und sich anpassten.
Bald waren nur noch zwei Tauben übrig. Es waren die schnellsten und klügsten. Sie konnten schneller als jeder Habicht fliegen und wenn sie einen Bösewicht erblickten, ließen sie sich blitzschnell in die Büsche fallen.
So vergingen die Jahre.
Ihr Leben war monoton, sie saßen die meiste Zeit auf der Dachrinne des Hauses und beobachteten den Himmel über Bammental.
Manchmal unterhielten sie sich mit anderen Tauben, die hier notlanden mussten, da der Habicht es jetzt auf sie abgesehen hatte. Sie hörten sich deren traurige Geschichten an, versuchten die unglücklichen Nachbartauben zu trösten, helfen konnten sie aber nicht.
Plötzlich aber hatte die eine von den beiden eine supertolle Idee. „Lass uns doch eine Flugschule für alle jungen Tauben von Bammental gründen. Wir können so die Tricks, die wir uns angeeignet haben an alle Tauben weitergeben und der Habicht wird das Nachsehen haben.“
Die andere von den beiden fand den Gedanken ausgezeichnet und am nächsten Morgen flogen sie im Tiefflug, so dass der Habicht nicht angreifen konnte, zu allen anderen Taubenschlägen von Bammental und stellten den Artgenossen ihren Plan vor.
Treffpunkt sollte eine verlassene Scheune am Ortsrand sein, da sie ausreichend Schutz bot.
Am nächsten Morgen brachten alle Taubeneltern ihre Kleinen zur Flugschule.
Zuerst wurde in der Scheune geübt und danach ging es nach draußen. Zwei der älteren Tauben mussten immer aufpassen. Wenn der Habicht im Anflug war, gaben sie durch kräftiges FLügelschlagen Alarm und blitzschnell waren alle in der Scheune verschwunden. Es wurde alles geübt: Gleitflug, Sturzflug, Hoch- und Tiefflug.
Die Habichte mussten verblüfft erleben, wie die Tauben ihnen stets entkamen, ja sie sogar zum Narren hielten. Schlecht gelaunt kehrten sie nach jedem Flug mit knurrendem Magen ohne Beute zu ihrem Nest zurück.
Der Habichtmann schäumte vor Wut: „Überall Tauben, nur keine verfängt sich in meinen Krallen“ , brüllte er.
Nach zwei Wochen Hungerleidens verließen sie ihr Nest auf dem Hollmuth und suchten das Weite.
Die Tauben von Bammental aber waren glücklich, dass sie jetzt ohne Angst durch die Lüfte fliegen konnten. Sie feierten ein Fest und bedankten sich bei den beiden alten Taubendamen, die ihnen so viel beigebracht hatten.
Die Rehe vom Fischersberg
In den Wiesen oberhalb vom Fischersberg hat Paula einen kleinen Garten. Hier stehen Apfelbäume und auch ein Pflaumenbaum. Vom nahen Wald schauen manchmal die Hasen vorbei, denn hier gibt es saftiges Gras.
An einem warmen Sommertag, als Paula Pflaumen für einen Kuchen pflücken wollte, den sie in ihrer kleinen Küche als Überraschungsgeschenk für ihre Mama backen wollte, konnte sie ihren Augen nicht trauen. In ihrem Garten stand eine Rehmutter mit ihrem winzigen Kitz.
Zu Paula sagte sie: „Ich hoffe es stört dich nicht, dass wir hier sind, aber die Füchse wollten mein Baby fressen und ich habe gedacht, dass es hier sicher ist.“
Natürlich hatte Paula nichts dagegen, sie freute sich, denn sie hatte noch nie so ein winziges Rehkind gesehen. Da man kleine Rehe nicht anfassen sollte, betrachtete es Paula aus der Nähe. Es hatte ein braunes Fell, das sehr weich schien, braune Augen und eine ganz schwarze Nase. Es konnte kaum auf seinen dünnen Beinchen stehen.
Wie immer war auch Bea, Paulas Hund, dabei. Stets neugierig wollte sie das kleine Kitz sofort beschnuppern. Paula verscheuchte sie und sagte: „ Suche lieber diese bösen Füchse und verscheuche sie.“ Dies ließ sich Bea nicht zweimal sagen, sie rannte sofort bellend los.
Nachdem sie ihre Pflaumen gepflückt hatte, rief sie Bea und sie gingen beide nach Hause, denn die Rehmutter und ihr Kind brauchten jetzt viel Ruhe.
Als Paula nach einigen Tagen vorsichtig nach den Rehen sehen wollte, waren sie weg. Im Gras sah man noch die Abdrücke, wo sie geschlafen hatten. Das kleine Reh war jetzt kräftig genug, um neben seiner Mutter herzulaufen. Im nahen Wald war ja auch noch der Vater des kleinen Rehes und der hatte ein kräftiges Geweih und konnte so sein Kind verteidigen, wenn der Fuchs ihm zu nahe kam.
Paula war etwas enttäuscht, aber Rehe gehören nun mal in die Natur und nicht in einen Obstgarten.
Im Herbst als Paula reife Äpfel für einen Apfelkuchen pflücken wollte und sie sich dem Garten näherte, war Bea ganz aufgeregt, sie hob ihre Nase in den Wind und schnupperte. Dann sah Paula auch schon die Rehmutter und ihr Kitz, das über den Sommer ordentlich gewachsen war.
„Entschuldige die Störung“, sagte sie. „Bei uns im Wald knallt es furchtbar und mein Kind fürchtet sich.“ Es war Jagdzeit und die Jäger liefen durch den Wald, um Rehe und Hasen zu schießen.
Paula sagte dem Reh, dass es bleiben könne solang es wolle. Dann hatte sie eine Idee. Ihr Opa hat ihr einmal erzählt, dass die Jäger nur morgens und abends von ihren Hochsitzen auf das Wild schießen.
Das erzählte sie der Rehmutter.
„Ihr könnt euch alle morgens und abends in meinem Garten verstecken und tagsüber, wenn die Sonne scheint und es hell ist könnt ihr durch die Felder ziehen, um zu grasen.“
Das Reh bedankte sich.
Am Abend war Paula neugierig, ob ihr Rat befolgt wurde und sie staunte ganz schön als sie mit Bea zum Garten kam. Hier standen Dutzende Rehe, Kitze und Böcke mit spitzem Geweih, alle friedlich in ihrem Garten.
Sie wollte sie nicht stören, nahm Bea und sie gingen nach Hause.
So ging es den ganzen Herbst und Winter. Im Frühjahr, als die Jagd zu Ende war und keine Gefahr mehr bestand, verzogen sich die Rehe wieder in den Wald.
Der verletzte Storch
In einem Dorf im Elsass gibt es auf einem Kirchendach ein großes Storchennest. Im Frühjahr kommen die Storcheneltern von ihrer langen Reise aus dem Süden zurück, polstern ihr Nest mit frischem Moos aus und legen fünf große Eier in das weiche Nest.
Während die Storchenmutter brütet, fängt der Storchenmann Frösche im Dorfteich, dann löst er seine Frau beim Brüten ab und sie stolziert durch die Wiesen auf der Suche nach Mäusen.
Einige Wochen später schlüpfen fünf flaumige Storchenküken aus den Eiern und für die Eltern gibt es viel zu tun, denn die kleinen hungrigen Schnäbel müssen gestopft werden.
Von morgens bis abends fliegen die Storcheneltern über die Wiesen und Sümpfe und fangen Fische, Frösche, Eidechsen und allerlei Insekten, die sie zu ihren Kindern an das Nest bringen.
Auch dieses Jahr ragen fünf kleine Schnäbel über den Nestrand, und doch ist etwas anders.
Eines der Küken ist drei Tage später aus dem Ei geschlüpft und so wesentlich kleiner als die anderen.
Seine gefräßigen Geschwister schnappen ihm jeden Happen weg, sobald die Eltern zum Füttern anfliegen. Darüber ist der Storchenvater wenig erfreut. Also denken sich die Storcheneltern eine List aus: Die Mutter füttert die vier gefräßigen Geschwister, während der Vater von der anderen Seite des Nestes das kleine Sorgenkind mit Nahrung versorgt.
Nach einigen Wochen sind die vier kleinen Rabauken ordentlich gewachsen, so dass man sie kaum von den Eltern unterscheiden kann. Wagemutig machen sie auch schon die ersten Flugversuche.
Nur bei dem kleinen Storch sind die Schwingen an den Flügeln noch zu kurz und bei jedem Flugversuch plumpst es zurück ins Nest, dies zur Erheiterung seiner Geschwister.
Diese sind nicht besonders lieb zu ihrem Geschwisterchen. Sie fliegen ständig um das Nest herum und rufen: „Trau dich endlich, kleiner Storch.“
Verzweifelt stürzte sich der Kleine aus dem Nest versuchte zu fliegen, was ihm nur zum Teil gelang.
Der Vater Storch versuchte zu helfen, doch zu spät. Das Nesthäkchen landete mit gebrochenem Flügel auf dem Dach einer alten Scheune und rutschte in die Dachrinne, wo es liegen blieb.
Die Geschwister guckten verdutzt, denn es war ihre Schuld, dass sich der kleine Storch aus dem Nest wagte.
In den nächsten Tagen hatten sie ein schlechtes Gewissen und sie machten sich mit ihren Eltern auf, Frösche und Fische für ihr Geschwisterchen zu fangen, damit es schnell wieder zu Kräften kommt.
Die ganze Storchenfamilie versorgte rund um die Uhr den Kleinen. Es war Herbst geworden.
Die Störche von den Nestern des Nachbarortes kamen vorbei und drängten zu Aufbruch.
Der Storchenvater aber sagte: „Ich fliege nicht weg, ohne alle meine Kinder dabei zu haben“.
Die Nachbarstörche machten sich auf in Richtung Süden, nur unsere Storchenfamilie blieb zurück.
Sie brachten alle eifrig die letzten Frösche aus den Teichen zum verletzten Storch.
Dieser war jetzt durch die fürsorgliche Betreuung seiner Familie groß und stark geworden. An einem sonnigen Herbsttag flatterte er stolz mit seinen Flügeln, die geheilt waren, richtete sich auf der Dachrinne auf und ließ sich von einem leichten Herbstwind in die Lüfte tragen. Die Geschwister flatterten auch mit ihren Flügeln, so als wollten sie applaudieren.
Am nächsten Tag verabschiedeten sie sich alle von ihrem Nest, denn der Storchenvater mahnte zum Aufbruch: „Es ist Zeit, sagte er, lasst uns losfliegen, wir müssen vor dem ersten Frost den Gotthard, einen hohen Berg in der Schweiz, überqueren. In Südfrankreich ist es noch warm, dort könnt ihr euch noch einmal ausruhen, bevor wir über das große Meer fliegen.“
Er setzte sich in Bewegung und die anderen folgten ihm.
Der schwarze Stier Torofort und das weiße Pferd Blanche
In der Camargue leben viele wilde weiße Pferde. Sie fressen das Gras in den Sümpfen, trinken das Wasser aus dem Kanal und kommen so gut ohne Hafer oder Gerste aus.
Manchmal bilden sie große Herden und ziehen gemeinsam durch die Salzwiesen. Wenn sie müde sind legen sie sich hin, strecken die Beine von sich und ruhen sich im weichen Sand aus. Die Nähe der Menschen meiden sie, denn schon oft haben Männer mit großen Hüten sie mit Futter angelockt, ihnen dann einen Halfter angelegt, sich auf ihren Rücken geschwungen und sie als Reitpferde verwendet.
In der Nähe der Salzwiesen, wo die Wildpferde leben, gibt es auch Flächen, die mit Stacheldraht eingezäunt sind. Hier werden die schwarzen Kühe und Stiere gezüchtet. Die Menschen sind stolz auf diese kräftigen Tiere, denn mit ihnen können sie mächtig angeben, wenn sie sie, wenn es ein Fest gibt, durch die Straßen treiben oder sie in der Arena ordentlich necken und zum Narren halten.
Damit haben sich die Tiere abgefunden.
Im Frühjahr letzten Jahres wurde in solch einem Gatter ein Kälbchen geboren. Es war klein und rabenschwarz. Der Besitzer würdigte es nur eines kurzen Blickes und sagte zu seiner Frau: „Gib ihm ordentlich Futter, er ist ein kleiner Bulle und muss ein starker Stier werden, damit wir unseren Spaß haben. Sie nannten ihn Torofort.
Doch Torofort hatte nicht immer Lust, das trockene Heu, das man ihnen vorwarf, zu fressen. Er guckte durch den Stacheldraht und sah die weißen Pferde, die das grüne Gras vorsichtig aus den sumpfigen Wiesen knabberten.
Besonders ein kleines graues Fohlen Blanche hatte es ihm angetan. Es kam immer wieder an den Zaun und rief ihm zu: „Komm spiel mit mir, du kleiner schwarzer Zwerg, oder fürchtest du die Spitzen des Stacheldrahts?“
„Natürlich fürchte ich ihn“, rief Torofort, aber er blieb Blanche nichts schuldig: „Sie nennen dich Blanche, das heißt Fräulein Weiß, in Wirklichkeit bist du grau, sie müssten dich Mäuschen nennen.“
„Kannst du nicht warten“, rief das Fohlen. „In zwei Jahren bin ich schneeweiß, genau so weiß wie meine Eltern.“
So scherzten die beiden miteinander den ganzen lieben Sommer lang.
In Wirklichkeit beneidete Torofort die kleine Blanche, denn sie war frei und musste sich nicht jahrein – jahraus von neugierigen Urlaubern begaffen lassen.
Im Herbst sagte der Bauer zu seiner Frau: „Heute nehme ich Torofort zum Training für das Wiesenfest mit. Wenn er sich gut macht können wir ihn teuer nach Spanien verkaufen.“
Der junge Stier konnte sich nichts darunter vorstellen. Als er aber von Reitern mit spitzen Stöcken durch die Straßen gescheucht wurde, war er verzweifelt. Am Abend klagte er Blanche sein Leid. Er meinte es könnte noch schlimmer kommen, wenn er erst in der Arena von halbstarken Jungs herumgescheucht werden würde.
„Gut, dass wir nicht in Spanien leben“, sagte er zu Blanche, ein Onkel von mir konnte sich dort noch rechtzeitig aus dem Staub machen, dort sind sie zu allem fähig.“
Blanche wusste auch keinen Rat, sie versprach ihm aber, den alten Hengst ihrer Herde um Hilfe zu bitten. Als Blanche am Abend diesem die Geschichte erzählte, rief er den Rat der Weißen Pferde zusammen und als das Wort Spanien fiel, waren alle entschlossen: „ Wir müssen ihn rausholen“ entschieden sie.
Für den nächsten Tag war wieder ein Stierlauf durch die Gassen der Stadt angesagt. Die weißen Pferde warteten in einer Baumallee am Ortsrand. Als die Reiter mit den Stieren vorbeikamen, mischten sie sich in vollem Galopp zwischen die Stiere, nahmen Torofort in ihre Mitte und verschwanden blitzschnell mit ihm.
Jetzt war er frei. Er konnte mit Blanche durch die Sümpfe waten und frisches Gras fressen oder mit ihr übermütig durch die Salzwiesen sprinten.
Doch wenn sie Menschen sahen, versteckten sie sich im dichten Schilf.
Die Meisen und die böse Elster
Eine Meisenfamilie baute ihr Nest im Gestrüpp am Rande des Gartenteichs. Es war gut versteckt, so dass die Nachbarskatzen, die im Garten herumlungerten, es nicht finden konnten.
Hier am Teich schwirrten viele Insekten umher, es gab also genug zum Essen.
Als das Nest fertig war, suchten die Meisen noch Haare von Bisou und Jela, die immer im Garten gekämmt wurden, um das Nest weich auszupolstern.
Danach legte die Meisenfrau sechs kleine gesprenkelte Eier in das Nest und machte sich bereit zum Brüten.
Der Meisenmann versorgte sie regelmäßig mit Fliegen und Würmern und zwitscherte ihr zwischendurch ihr Lieblingslied vor.
Auf einer hohen Buche hatte eine Elster aus dürren Zweigen und vertrockneten Blätter ohne viel Begeisterung ebenfalls ein Nest zusammengeschustert.
Sie hatte aber wenig Lust auf das Eierlegen, da ihr noch der Mann fehlte; den letzten hatte sie durch ihr ewiges Gekreische verscheucht.
Neidisch beobachtete sie von oben das Familienleben der Meisen.
Und als die Meisenfrau nur für einen kurzen Augenblick zum Teich flog, um etwas Wasser zu trinken, stürzte sich die Elster auf das Meisennest, pickte mit ihrem spitzen Schnabel die Eier auf und fraß sie.
Die Trauer der Meisen war groß. Auch die Meisen aus den Nachbargärten kamen herbei. Alle flogen aufgeregt umher und piepten. Sie flogen auch auf den Balkon, wo Jela und Bisou, zwei rote Setter in der Sonne lagen.
Der Meisenvater setzte sich auf die Gitterstäbe und fragte die beiden Hunde nach Rat:
„Selbst, wenn meine Frau sich die Mühe macht, wieder Eier zu legen, wird die diebische Elster sie wieder auffressen. Habt ihr vielleicht eine Idee, was wir tun könnten? “
Jela war so wütend, dass sie fast über das Geländer hüpfte, sie sprang bellend wild umher und rief:
„Ich erwische dich, du Dieb!“
Bisou blieb ganz ruhig. Sie blickte nach oben zum Hausdach und sagte: „Schaut mal, da unter den Dachziegeln ist gerade noch Platz für ein kleines Meisennest. Hierher wird sich dieser schräge Vogel nicht wagen.“
Die Meisenfamilie beriet sich und alle fanden den Rat von Bisou gut. Am nächsten Tag begannen sie erneut mit dem Nestbau. Alle Meisen aus der Nachbarschaft halfen mit, so dass sie am Abend bereits mit der Arbeit fertig waren.
Schon am nächsten Tag begann Frau Meise mit dem Eierlegen.
Bisou sagte zu Jela: „Weißt du, sicher ist sicher, wir sollten Wache schieben, damit diese Elster nicht wieder auf dumme Gedanken kommt.“ Und das taten sie auch. Sie wechselten sich ab, um das Nest nicht unbeaufsichtigt zu lassen. Sie verzichteten sogar auf ihre täglichen Spaziergänge, was besonders Jela ganz schön zu schaffen machte.
Die böse Elster saß noch immer allein auf ihrem Baum und späte auf die Terrasse. Da sie nicht besonders mutig war, unternahm sie keinen Versuch, sich dem Nest zu nähern. Sie hatte vor Bisou und Jela einen Heidenrespekt.
Wochen später schlüpften sechs kleine Meisen aus den Eiern und Bisou und Jela schoben weiterhin Wache.
Als die Kleinen flügge waren, verschwanden sie eines Tages mit ihren Eltern im dichten Gebüsch und die Elster hatte das Nachsehen.
Jeden Abend kamen aber alle wieder zurück auf die Terrasse, um sich bei Bisou und Jela mit einem fröhlichen Lied zu bedanken.
Diese freuten sich und Jela hatte immer mit einem Auge die Elster im Visier. Sie knurrte ihr zu: „Wag es nicht, diese zierlichen Geschöpfe zu berühren.“
Die Elster befolgte ihren Rat, denn sie wusste, dass die beiden es ernst meinen.
Karlchen, der kleine Igel
In einem Hausgarten tummelte sich den ganzen Sommer über eine Igelfamilie. Sie hatten alles, was sie zum Leben brauchte: Schnecken, saftige Blätter, Kirschen, die vom Baum vielen und vieles mehr.
Unter einem alten Kirschbaum hatten die Menschen trockene Äste gelagert, was die Igelfamilie freute, denn dies war der richtige Platz für ein gemütliches Igelnest.
Mitte Mai fiepten hier vier kleine, nackte Igelkinder. Da es der Igelmutter an nichts fehlte, hatte sie genug Milch und die Kleinen tranken den ganzen Tag und wuchsen schnell zu munteren Gesellen heran.
Nur einer, der später den Namen Karlchen erhielt, hatte keine rechte Lust zu trinken, denn er war stets abgelenkt. Einmal waren es die Hornissen, die ihn störten, dann wollte er den Libellen am Teich nachjagen. Stets gab es etwas, das ihn mehr interessierte als die Milchbar seiner Igelmutter.
Der Igelvater war besorgt: „Wenn du nicht ordentlich trinkst und zunimmst, fehlt dir das Fettpolster für den Winterschlaf, streng dich an mein Sohn“, sagte er.
Doch mit Zwang war an Karlchen nicht ranzukommen. Er tollte umher und stellte bei den Ermahnungen des Igelvaters „seine Ohren auf Durchzug“.
Die restlichen Igelkinder aßen brav ihre Schnecken und tranken ihre Milch und legten an Gewicht zu.
Der Herbst rückte näher und die Igeleltern und drei Igelkinder schafften ordentlich trockenes Laub herbei um im Winter nicht zu frieren.
Sie wurden alle auch ein wenig träge und an kühlen Tagen probten sie schon mal den Winterschlaf.
Karlchen verspürte überhaupt kein Verlangen nach Schlaf. Er rannte umher und pikste mit seinen Stacheln die Katzen der Nachbarn, wenn sie sich mal in seinem Revier verirrten und genoss das Leben in vollen Zügen.
Es machte ihm auch Spaß am Napf der Hunde zu naschen, denn das war einfacher als nach Schnecken zu suchen und schmeckte auch besser.
An einem Novembertag stellte er plötzlich fest, dass seine Eltern und Geschwistern in dem wohligen Nest lagen und fest schliefen.
Jetzt wurde ihm der Ernst der Lage bewusst. Er rannte verzweifelt umher und suchte vergebens nach einem Artgenossen. Doch alle anderen Igel schliefen.
Plötzlich wurde Bisou auf den kleinen Hektiker aufmerksam, sie lief zu Paula, zupfte an ihrer Hand und führte sie zum kleinen Igel, der sich sofort zu einem Knäuel zusammenrollte und seine Stacheln nach außen richtete.
Auch Paula war ratlos, sie holte Oma zu Hilfe. Diese beruhigte sie und sagte: „Kein Problem, damit kenne ich mich aus. Wir brauchen einen großen Karton und einen zweiten mit Stroh und Laub.“
Sie setzten den Igel in den Karton, den sie im Keller in einer Ecke aufgestellt hatten. Oma brachte eine Dose von Bisous Hundepaté und der kleine Igel konnte nicht genug davon bekommen. So ging es noch zwei Wochen. Bisou war darüber wenig begeistert, doch Paula erklärte ihr, dass Igel nützliche Tiere sind, die man beschützen müsse.
Nach zwei Wochen war Karlchen dick und rund und eines Morgens, als Paula und ihre Oma ihn füttern wollten, schlief er und das den ganzen Winter lang.
Als im Frühjahr Schnee und Eis zu tauen begannen und es langsam wieder warm wurde, streckte Karlchen seinen Kopf aus dem Karton und fragte: „Wo bin ich?“
Paula erklärte ihm, dass er bis jetzt geschlafen hätte, rief ihre Oma und sie entließen Karlchen in den Garten.
Dieser sagte artig: „ Danke euch beiden“ und verschwand im hohen Gras.
Im Spätsommer konnte Paula ihren Augen nicht trauen. Am Hundenapf saß plötzlich Karlchen mit drei kleinen Igelkindern, die ordentlich Hundefutter in sich hineinschoben.
Als Bisou dazukam, entschuldigte er sich und sagte: “Tut mir leid Bisou, aber ich möchte nicht, dass es ihnen so ergeht, wie es mir ergangen ist. Wenn der Winter kommt, sollen meine Kinder dick und rund sein, damit sie eure Gastfreundschaft nicht in Anspruch nehmen müssen.“
Paula tröstete Bisou mit einem Leckerchen und die Welt war wieder in Ordnung.
Die Flamingos und die Kraniche in der Camargue
Mit ihrem rosa Gefieder stolzieren die Flamingos mit ihren langen Beinen durch die Seen der Camargue. Die Menschen sind immer bei ihrem Anblick hocherfreut und fotografieren drauflos. Das wissen die Flamingos und sie recken ganz stolz ihre Hälse.
Sie beachten die anderen Tiere nicht, denn hier dreht sich alles nur um sie.
Endlich war der Winter, der hier sowieso recht mild ist, vorbei, die Störche und auch die Kraniche machten hier ihren ersten Rast auf dem langen Weg in den Norden und wollten an einem See, den die Flamingos für sich in Anspruch nahmen, den Staub der langen Reise aus dem Gefieder waschen, als sie von den Flamingos wenig freundlich empfangen wurden.
Zwei halbstarke Flamingo Männer fuchtelten wild mit ihren gebogenen rosa Schnäbeln umher und fauchten die Kraniche an: „Macht euch aus dem Staub, ihr grauen Gesellen, dieser See an der Straße gehört uns. Das sind die besten Plätze, um gesehen zu werden und wer will denn schon euch Riesenvögel bewundern.“
Die müden Kraniche wollten keinen Streit und zogen sich in die nahen Reisfelder zurück. Hier war es sowieso gemütlicher, da der Wind vom Meer ihnen nichts anhaben konnte.
Eines Morgens, als sich die rosa Flamingos mit lautem Geschnatter lautstark gegenseitig begrüßten, mal wieder um dadurch aufzufallen, wurde der Himmel plötzlich grau und weiße Flocken rieselten von oben herab. Die meisten Flamingos kannten keinen Schnee, die Alten unter ihnen riefen zur Besonnenheit auf: „Bleibt entspannt, bei uns schneit es auch im Winter nicht und der Winter ist jetzt sowieso vorbei.“
Das Wetter nahm aber auf ihr beruhigendes Geschnatter keine Rücksicht. Die Schneeflocken wurden immer größer und dazu kam noch ein kräftiger Wind vom Meer.
Die ganze Flamingokolonie fror fürchterlich. Die Menschen mit ihren Fotoapparaten verzogen sich in die warmen Häuser und so waren sie in dem Schneetreiben mutterseelenallein.
Verzweiflung machte sich breit. Da kam einem der alten Flamingo-Weibchen die rettende Idee: „Ich erinnere mich an ein ähnliches Erlebnis vor vielen Jahren. Mein Großvater rief uns damals alle zusammen und sagte: Lasst uns zu den Reisfeldern fliegen, dort ist es wärmer und der Wind hat seine Kraft verloren.“
Sofort machten sich alle auf. Sie überquerten die riesigen Salzbecken und sahen schon aus der Luft die grünen Reisfelder.
Doch diese waren bereits besetzt. Scharen von grauen Kranichen pflückten die ersten Reissprossen, um Kräfte für den Weiterflug zu sammeln. Es waren die gleichen, die die Flamingos vorher verscheucht hatten.
Durchgefroren setzten sie trotzdem zur Landung an. Die Kraniche blickten erstaunt zum Himmel, als die rosa Wolke auf sie zu schwebte.
Kleinlaut fragten die Flamingos die Kraniche, ob sie sich zu ihnen gesellen dürften.
Die Kraniche waren nicht nachtragend und machten den Ankömmlingen Platz und boten ihnen Reissprösslinge an, was die Flamingos, die sich nur von Krebsen ernähren, nicht kannten. Aus Höflichkeit probierten einige von ihnen aber die grüne Kost.
Als es gegen Abend noch kälter wurde und die Schneeflocken noch dichter, schlüpften einige der frierenden Flamingos unter die mächtigen Schwingen der großen Kraniche.
Am nächste Morgen war das Reisfeld eine weiße Schneewiese mit vielen großen grauen Punkten und wer genau hinschaute sah unter jedem grauen Kranichflügel das rosa Gefieder eines Flamingos.
Nach einem Tag war der Schnee geschmolzen und die Flamingos verabschiedeten sich vom ihren neuen Freunden, den grauen Kranichen und sie flogen wieder an ihren See mit den vielen Salzkrebsen.
Auch die Kraniche machten sich auf in Richtung Norden, denn sie wollten in Schweden ihre Nester bauen.
In den folgenden Jahren kehrten sie aber jedes Mal, wenn sie übers Meer aus dem Süden kamen, bei ihren neuen Freunden, den Flamingos ein, wenigstens um guten Tag zu sagen, bevor sie weiter Richtung Norden flogen.
Der Wolf und das Mädchen Paula
Ein Wolf, der sein ganzes Leben in einem Zoo verbrachte und der die Welt mit den grünen Wäldern und den bunten Wiesen nicht kannte, kletterte eines Nachts über die Gitterstäbe und war endlich frei.
Er lief durch die Straßen der Stadt und musste feststellen, dass die Menschen, die vorher an seinem Gehege vorbeiliefen, ohne ihn zu beachten, plötzlich Angst vor ihm hatten.
Jeder versuchte sich in Sicherheit zu bringen, Frauen schrien aus Angst um ihre Kinder, Männer riefen nach der Polizei, halbstarke Jungs warfen Steine nach ihm.
Er verstand die Welt nicht mehr, denn er hatte keinem etwas getan. Erschöpft verkroch er sich in ein Gebüsch am Rande der Stadt und schlief ein. Er wachte wieder auf, als ihm der Magen knurrte.
Ein Mädchen führte seinen Hund spazieren, der ausgehungerte Wolf schlich ihnen hinterher und bat sie um einen Knochen. Das Mädchen hielt ihn für einen Hund und fragte ihn: “Hast du denn kein Zuhause?“ „Nein“ sagte der Wolf, „ich bin aus dem Zoo abgehauen, ich bin ein Wolf.“
Das Mädchen lachte und sagte: „Vielleicht der böse Wolf aus Grimms Märchen?“
Der Hund, ein alter, erfahrener Irish Setter namens Bea, sagte zu dem Mädchen: „Paula, bitte glaub ihm, er ist ein richtiger Wolf.“
Paula sagte: „Wolf hin oder her, er hat Hunger, wir müssen ihm helfen.“
Sie gingen nach Hause und kamen mit einer ordentlichen Portion Hundefutter wieder zurück. Der hungrige Wolf verschlang gierig das Futter und erzählte ihnen nachher von seinem Traum, endlich frei zu sein und seiner Sehnsucht nach den Wiesen mit den bunten Blumen. Am nächsten Tag brachten sie ihm wieder Futter, denn in der Stadt war die Angst groß und die Polizei suchte den entlaufenen Wolf.
Am dritten Tag sagte Paula: „So kann es nicht weiter gehen, wir müssen den Menschen zeigen, dass du harmlos bist.“ Sie legte ihm ein Halsband an, nahm ihn an die Leine und ging mit ihm und Bea durch die Stadt.
Die Menschen rannten davon und der Wolf hatte ordentlich Angst. Er sagte zu Paula: „Sie werden mich töten oder in den Zoo zurück bringen, aber das möchte ich nicht. Nicht wieder eingesperrt sein hinter einem Eisengitter, bitte, bitte hilf mir.“
Als die Menschen sahen, dass der Wolf sich mehr vor ihnen fürchtete, als sie sich vor dem Wolf, beruhigten sie sich. Als sie auch noch sahen, wie mutig die kleine Paula mit dem Wolf durch die Stadt schritt, wagten sich die Menschen wieder aus ihren Häusern.
Paula führte den Wolf in den nahen Wald und sagte zu Bea: „Hier gehört er hin und nicht in einen Käfig.“ Sie machte ihm das Halsband ab und sagte:
„Leb wohl Wolf, ich besuche dich mal wieder.“
Sie ging mit Bea nach Hause zurück. Die Hündin war von dem ganzen Trubel ziemlich erschöpft.
Paula hielt Wort und sie besuchte von Zeit zu Zeit mit Bea den Wolf.
Eines Tages, als sie wieder kamen, staunten sie ganz schön. Von weitem sahen sie vier Wolfswelpen, die ordentlich tobten und ihrem Vater zusetzten.
Als Paula und Bea kamen, verschwanden sie blitzschnell zu ihrer Mutter, die verängstigt hinter einem Baum stand.
Paula wollte sie herlocken, doch der Wolf sagte: „Lass sie nur, sie fürchten sich vor Menschen und das ist gut so, dann kann ihnen auch nichts passieren. Auch ich möchte mich von dir und Bea verabschieden, wir werden bald weiterziehen, ganz tief in den Wald. Danke für alles, was du für mich getan hast.“ Nach diesen Worten verschwand auch er im Dickicht.
Paula war etwas traurig, sie wusste aber, dass er Recht hatte. Sie rief ihm noch hinterher: „Ich wünsch euch viel Glück“ und trottete mit Bea wieder nach Hause.
Weihnachten der Tiere
Wie jedes Jahr wollen die Tiere des Waldes auch dieses Jahr zusammen ihr Weihnachtsfest feiern.
Schon Wochen vor Weihnachten hörte man die Spechte, wie sie von Baum zu Baum die Nachricht weiterhämmerten, manchmal ganz schön laut, so dass kein Tier des Waldes die Einladung überhören konnte.
Die Menschen sollten sie nicht mitbekommen, da die Gefahr bestand, dass sie das Fest stören könnten.
Manche Waldspaziergänger sahen, wie Rehe mit Tannenzweigen im Maul in Richtung einer großen Waldwiese liefen um damit den Boden für das Fest auszupolstern.
Wildschweine pflügten mit ihren Rüsseln einen tiefen Graben um die Wiese, damit keine ungebetenen Eindringlinge das Fest stören konnten.
Fleißige Amseln flogen mit den letzten süßen Äpfeln, die sie auf den umliegenden Wiesen fanden, herbei, um für die Tierkinder Geschenke zu basteln.
Die Hasen übten Spiele ein, denn der Abend sollte ja nicht langweilig werden.
Zaunkönige, Rotschwänzchen und Meisen studierten für den feierlichen Abend ein Lied ein: „Friede allen Tieren auf Erden.“
Man hatte sich auf Heilig Abend kurz vor Mitternacht geeinigt, denn zu dieser Zeit sind auch keine Holzfäller mehr unterwegs, die durch ihren Krach das Fest stören könnten und die Jäger werden endlich auch mal in der warmen Stube bleiben und keinen Tieren auflauern.
In der besagten Nacht versammelten sich wie besprochen alle Tiere auf der Waldwiese und der Nachthimmel mit funkelnden Sternen breitete sich wie ein dunkles Zelt über seine Besucher aus.
Rehe mit ihren Kitzen waren gekommen, Wildschweine mit Scharen von Frischlingen, ganze Hasenfamilien, eine ganze Schar bunter Vögel saß auf den Ästen der Bäume, die die Wiese umsäumten, ja sogar der Fuchs war eingeladen, obwohl er ja nicht immer freundlich zu den anderen Waldbewohnern war.
Als sie gerade mit der Feier beginnen wollten, hörten sie ein tiefes trauriges Muh, Muh.
Eine Krähe krächzte: „Das sind die dussligen Rinder, die sich von Menschen einsperren lassen.“
Es folgte ein Mäh. Die Elster rief boshaft: „Die Ziegen sind auch nicht klüger.“
Dann hörte man noch ein Hundegeheul und der Fuchs lachte: „Manche Hunde dürfen nicht ins Haus, um mitzufeiern, geschieht ihnen Recht, wenn sie den Menschen hörig sind.“
Die meisten der versammelten Tiere dachten aber anders, die Haustiere taten ihnen Leid und manchen war die Freude an der Feier fast vergangen, wenn sie an die armen Haustiere dachten.
Ein kleines Eichhörnchen turnte blitzschnell einen Baumstamm hoch, um sich Gehör zu verschaffen: „Lasst uns sie befreien, lasst uns alle Gartentore und alle Stalltüren öffnen und die Haustiere auch zu unserem Fest einladen.“
Gesagt getan. Sie stürmten in das Dorf, die kräftigen öffneten die Tore, manche hoben sie aus den Angeln, die Vögel zwitscherten: „Auf, auf zu unserem Waldfest, ihr seid eingeladen.“
Uns so stürmten sie los: eine Kuhherde, Schafe und Ziegen, einige mutige Katzen und eine Hundemeute, die aus dem Zwinger befreit wurde.
Auf der Waldwiese wurde es ganz schön eng, dies aber störte die Tiere nicht. Sie feierten bis zum Morgen. Im Morgengrauen verzogen sich die Haustiere wieder in das Dorf und die Wildtiere verzogen sich im Wald. An dieses schöne Fest dachten aber alle lange noch.
Eine Leiter auf den Mond
Ein runder heller Mond, groß, schön wie ein Gesicht voller Güte, aber unerreichbar. Ein kleines Mädchen, Paula, stand auf der Terrasse und blickt sehnsüchtig noch oben.
Und sie sprach leise:
„Mond, ich sehe dich, wenn du mich auch siehst, so gib mir ein Zeichen.“ Plötzlich schob sich eine Wolke über die rechte Seite des Mondes und links wurde ein dunkles zwinkerndes Auge sichtbar.
„Danke Mond“ sagte das Mädchen Paula, „ich habe verstanden“.
„Kind, warum guckst du mich so traurig an“, sagte der Mond, „deine Welt ist schön, das Gras ist grün, die Blumen in deinem Garten sind bunt, in den Bächen tummeln sich silberne Fischlein und das Meer ist unendlich. Du hast schöne blaue Augen, wenn du schlau guckst, siehst du lustig aus und dein Opa freut sich, deine Eltern haben dich lieb, in deinem Kinderzimmer ist es mollig warm.“
„Du hast Recht Mond, mir geht es gut, aber weißt du Mond, ich bin noch klein, aber ich habe schon Kinder gesehen, die weinen, weil sie niemand lieb hat, ich habe Kinder gesehen, die an Weihnachten vor den Kaufhäusern stehen und sehnsüchtig in die Schaufenster gucken oder auf das Brot in meiner Hand, weil sie hungrig sind.“
Der Mond nickte traurig: „Es stimmt, auch hier oben blieb mir das nicht verborgen. Es müsste eine Welt nur für Kinder geben, in der alle glücklich sind.“
Das Mädchen Paula überlegte kurz und sagte: „Mond, du hast so viel Platz, könnten alle Kinder vielleicht bei dir unterkommen? “
Der Mond überlegte ebenfalls und sagte dann: „Das ginge schon, nur ist hier alles ziemlich kahl, nur Steine und Geröll.“
Paula rief glücklich: „Kein Problem, jedes Kind könnte eine Pflanze mitbringen, grünes Gras von der Wiese, einen kleinen Apfelbaum, Erdbeersetzlinge, viele duftende Blumen oder Kräuter, das ließe sich schon machen.“
Doch plötzlich fiel ihr ein, dass es eine so lange Leiter, um auf den Mond zu steigen, ja nicht gibt.
Doch jetzt hatte der Mond einen Rat bereit: „Ihr könntet eine Leiter aus Worten bauen. Jeder Kinderwunsch könnte eine Stufe sein. Glaub mir, ich habe die Kinder abends beobachtet, sie tragen so viele Wünsche in ihren Herzen, die leider unerfüllt bleiben. Diese würden ausreichen, um die Leiter zu bauen. Aber lass uns offen sein, kleines Mädchen, auch ich würde mich freuen, wenn Kinder hier bei mir einen Platz finden würden, dann würden die Erwachsenen es nicht wagen auf mir zu landen. Weißt du, ich traue ihrem Gerede von einer uneigennützigen wissenschaftlichen Forschung nicht “
Nach dem Gespräch mit dem Mond lief Paula gleich zu ihrem Bruder Frederik und berichtete ihm von der Unterredung mit dem Mond und ihrem Plan eine Leiter zu bauen.
Frederik war etwas ängstlich und antwortete Paula, dass er ohne seine Mama an seiner Seite auf keine Leiter steigen würde. Paula beruhigte ihn und versprach ihm, als seine große Schwester gut auf ihn aufzupassen.
Am nächsten Tag erzählte Paula im Kindergarten von ihrem Gespräch mit dem Mond und alle Kinder glaubten ihr und sie erzählten die Geschichte den Nachbarkindern weiter und so verbreitete sich das Gespräch des Mädchens mit dem Mond von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und von Land zu Land. Und bald wussten alle Kinder der Erde von dem Plan und sie begannen fleißig Wünsche für die Leiter zu sammeln und sie legten Worte über Worte und die Leiter wuchs:
-ich wünsche mir einen großen Teller schmackhafter Reis
-ich wünsche mir, dass alles ganz still ist und der Krieg zu Ende
-ich wünsche mir einen Garten zum Spielen
- ich wünsche mir viele Freunde
- ich wünsche mir einen Job für meinen Vater
- ich wünsche mir, dass mein Bruder gesund wird.
-ich wünsche mir ein Haustier……………………………………………..
Und und… und..
Paula und Frederik staunten nicht schlecht, denn viele tausend Wünsche fügten sich übereinander. Leider können wir sie nicht alle aufschreiben. Doch wir haben Platz gelassen, dass noch weitere Kinder ihren Wunsch hinzufügen können.
Eines Morgens sah man tausende Kinder, weiße, schwarze, braune, Mädchen und Jungen, jedes Kind mit einer Pflanze in der Hand die Leiter zum Mond hinaufsteigen.
Nach einem Bericht von Florian Gersch, der mit seiner Rakete im Auftrag der Erwachsenen einige Male den Mond umrundet hat, bevor er zur Landung ansetzte, sollen sie sich dort oben sehr gemütlich eingerichtet haben.
Ihm haben sie auch verraten, dass sie vielleicht doch mal wieder auf die Erde herabstiegen, wenn die Erwachsenen endlich mal auf ihre Wünsche eingehen würden.
P.S.: Was das Mädchen Paula und ihren Bruder Frederik betrifft, weiß man, dass sie wieder in Neckargemünd am Kastanienberg gesehen wurden.
Mit den Vögeln fliegen
Das Mädchen Paula und ihr Bruder Frederik standen im Garten und sahen den Vögeln zu, wenn sie von Ast zu Ast hüpften und sich dann in die Lüfte schwangen und davon flogen.
Sehnsüchtig folgte ihr Blick den grazilen Geschöpfen.
„Einmal mit den Vögeln fliegen, ganz hoch oben wie die Lerchen am blauen Sommerhimmel“ sagte Paula zu Frederik und plötzlich wurden sie beide federleicht. Paula sah ihr Kleid im Wind flattern und Frederiks T-Shirt legte sich in Falten und sie schwebten davon.
Selbst die Vögel waren verblüfft, sie folgten den beiden und bestaunten ihre Flugkünste und sie luden Paula und Frederik ein, mit ihnen zu fliegen.
Die Amsel rief ihnen zu: „Bitte fliegt doch mit mir auf den Kirschbaum, den euer Opa schon für eure Mama gepflanzt hat. Die Kirschen sind reif und saftig und sie werden euch schmecken.“
Mit einigen Flügelschlägen flatterten sie davon. Nachdem sie von den reifen Kirschen genascht hatten, pflückten Paula und Frederik noch ein Körbchen voll für ihre Eltern und sie flogen zurück.
Am nächsten Tag, als die beiden Kinder wieder im Garten spielten, watschelte eine braune Ente heran und sagte zu dem Mädchen Paula: „ich bin zwar keine große Flugkünstlerin, doch für einige hundert Meter müsste es reichen. Wollen wir zur Elsenz fliegen, ich will euch meine flauschigen Küken zeigen, die ich unter eine Brücke versteckt habe, damit der Bussard sie nicht findet. Die Kinder willigten ein, obwohl es Frederik dabei etwas mulmig war über das Wasser zu fliegen, doch Paula beruhigte ihn und versprach gut auf ihn aufzupassen und seine Hand fest zu halten. Sie flogen mit der braunen Ente zum Wasser und sie durften die Entenküken streicheln. Frederik war von den flauschigen weichen Entenknäuel ganz begeistert.
Eines Nachmittags flatterte ein kleiner Zaunkönig zu den beiden heran und piepte ganz aufgeregt: „Könnt ihr ein Geheimnis bewahren?“ fragte er. „Ich zeige euch mein Nest im Gebüsch am Teich.“
Mit einigen Flügelschlägen hatten sie es geschafft und Paula und Frederik waren verblüfft, ein kleines, verstecktes rundes Nest mit winzigen getupften Eiern mitten in einem Strauch. Sie versprachen mit niemand darüber zu sprechen, denn die diebische Elster, die überall lauscht, würde es vielleicht durch Zufall erfahren und die Eier klauen.
Deshalb nahmen die Kinder die Einladung der Elster mit ihr eine Runde zu drehen auch nicht an. Sie trauten ihr nicht und dieses ewige Gehüpfe von Ast zu Ast ging ihnen sowieso auf den Geist.
Dafür aber flogen sie mit einer Wildgans über den Ort, ihr eigentliches Ziel war ein Waldsee mit zarten Wasserlilien und schönen Seerosen. Ein herrlicher Ausblick offenbarte sich beiden.
Als sie über die Kirche flogen, gingen der Gans die Kräfte aus und sie landete unsanft auf dem Kirchdach. Die Kinder gesellten sich dazu. Unter ihnen lag die kleine Stadt und sie sahen ihre Eltern am Kastanienberg im Garten Blumen pflanzen. Sie befanden sich in einer anderen Welt. Um sie herum viel Blau und am Horizont ein bunter Heißluftballon, der über die Felder schwebte. Um den Kirchturm flatterte ein aufgeregter Turmfalke, der über den plötzlichen Besuch wenig erfreut schien.
Als die Wildgans sich erholt hatte, flogen sie entspannt in den Garten zurück.
Das spannendste Abenteuer stand ihr aber noch bevor.
Eine Schwalbe, die schon seit Tagen die Flugübungen der Kinder verfolgte, ließ sich zwitschernd zu ihnen nieder: „Wollt ihr mal ein richtiges Abenteuer erleben „, fragte sie. „Wenn ja, dann lass uns in den Süden fliegen. Ich will euch mein Winterquartier zeigen. Dazu braucht ihr aber viel Mut. Der fehlte dem Mädchen Paula nicht und auch der kleine Frederik war für das Abenteuer bereit und beide sagten sofort zu und sie flogen los. Anfangs mussten sie sich anstrengen, um mit der flinken Schwalbe mithalten zu können, aber nach kurzer Zeit waren sie hervorragende Flieger.
Sie flogen über die Rheinebene, über die Schweiz und den Gotthard. Paula fielen die Geschichten von Mama ein, die im Wagen mit Opa über diesen hohen Berg fuhr, doch das war ja ein Kinderspiel verglichen mit ihrem Abenteuer.
Bevor sie über das Meer flogen, rasteten sie kurz in der Camargue und die Kinder glaubten ihren Opa gesehen zu haben, wie er im Garten an seinem Steintisch sitzt. Von oben sahen sie das glitzernde Meer und zwischendurch auch einen Delphin, der ihr mit der Flosse winkte.
Sie überquerten die Sahara Wüste und der Wind wirbelte die Sandböen bis zum Himmel hoch, so dass Paula ein ordentliches Kribbeln in der Nase spürte und Frederik sogar husten musste.
Den Rückweg fanden die Kinder ganz allein, denn die Schwalbe blieb in Afrika, da der Herbst nahte.
Paula und Frederik beeilten sich sehr, denn zu Kindergartenbeginn wollte sie wieder zu Hause sein. Sie freuten sich schon darauf, ihren Freunden von ihren herrlichen Flügen zu berichten.
Selbst wenn einige ihrer Freunde ihnen die Geschichten nicht abnehmen würden, stand für sie fest, dass auch verrückte Wünsche wahr werden, wenn man fest daran glaubt.
Zwei Kinder im Garten
Das Mädchen Paula stand am Esstisch und betrachtete die Blumen in einer Vase. Manche waren vertrocknet, andere waren gar nicht richtig aufgeblüht. Die Blumen taten ihr Leid und sie fragte ihre Mutter: „Mama, was muss ich tun, damit die Blumen nicht mehr welken?“ Ihre Mutter nahm ihre Hand und führte sie in den Garten und zeigte ihr einen Rosenstrauch.
„Siehst du diese Rosen, sie werden nie verwelken, sie werden verblühen und der Wind wird ihre trockenen Blütenblätter in die Welt tragen und der Rosenstrauch wird neue Blüten treiben, natürlich musst du ihn gießen.“
Das Mädchen befolgte den Rat ihrer Mutter und goss täglich den Rosenstrauch und er blühte den ganzen Sommer bis in den Herbst. Ihre Mutter sah sie manchmal auf einem Stuhl im Garten sitzend und mit den Blumen sprechen.
Das Mädchen war überzeugt, dass Blumen gute Zuhörer sind und die Sprache der Menschen verstehen, wenn man es gut mit ihnen meint.
Einmal stand Frederik nachdenklich und betrachtete die Kirschen, die in einer Schale auf dem Tisch standen. Die Kinder hatten sie vorher von den Ästen des alten Kirschbaums aus dem Garten gepflückt. Jeder aus der Familie kannte die Geschichte, dass Opa den Kirschbaum gepflanzt hatte, als ihre Mutter ganz klein war und dass er seit vielen Jahren jeden Frühsommer seine Äste mit vielen roten Kirschen bepackt waren.
Beim Anblick der Kirschen kam Frederik ins Grübeln. Er ging die Treppe in den Garten hinunter, lehnte sich an den alten knorrigen Stamm des Kirschbaums, fuhr mit ihrer kleinen Hand über seine Rinde und sagte: Danke. Und plötzlich fiel eine rote Kirsche auf ihre Hand, so als wollte der alte Kirschbaum Danke sagen.
„Du hast mich verstanden“, sagte Frederik und ging lächelnd zurück ins Haus, denn die Eltern warteten bereits mit dem Abendbrot. Ohne ein Wort zu verlieren setzte sie sich an den Tisch und ließ sich die Kirschen schmecken. Später erzählte er Paula, was ihm widerfahren war.
Am nächsten Morgen als sie in den Kindergarten gingen, streifte Paulas Hand fast zufällig die Pfefferminzstaude im Vorgarten.
„Welch ein betörender Duft“, dachte sie. Laut sagte sie: „dich möchte ich besser kennen lernen.“
Als sie nachmittags wieder zu Hause war ging sie wieder in den Garten und roch an allen Pflanzen.
Aus einem Topf kam ihr der edle Duft des Thymians entgegen. In einem Kübel stand ein blau blühender Rosmarin, der mit seinem duftenden Öl alle anderen Pflanzen überbieten wollte.
Die Zitronenmelisse mit ihren weißen Blüten roch dezent nach Zitrone und der Lorbeerstrauch, den Opa aus Frankreich mitgebracht hatte, war etwas ganz Besonderes mit seinen ungewöhnlichen Blättern.
All diese neuen, unbekannten Gerüche, die das Mädchen kennengelernt hatte, beschäftigten sie die folgenden Tage und sie nahm Frederik an seiner kleinen Hand und sagte: „Du musst unbedingt den herrlichen Duft dieser Kräuter riechen“ und sie führte ihn von Pflanze zu Pflanze.
Opa hatte den Kindern einen Pflanztrog mit vielen Gemüsepflanzen zusammengestellt: Salat, Kirschtomaten süße Paprika, Zucchini und Gurken, alles war vorhanden. Und Paula nahm jeden Morgen ihre kleine Gießkanne, um die Pflanzen mit Wasser zu versorgen.
Bald sah sie, dass die Gemüsepflanzen Blüten trieben und später verwandelten sich die Blüten in Früchte und Paula und Frederik konnten süße rote Kirschtomaten, grüne Zucchini und Gurken und Paprika ernten.
Darüber freuten sich auch ihre Eltern, denn sie mussten jetzt weniger Gemüse im Supermarkt einkaufen.
Ihre Mutter sah Paula auch abends noch im Garten Blumen gießen oder an Kräuter riechen oder wie sie sich einfach an den Kirschbaum lehnte, um zu entspannen, wenn sie müde war.
Manchmal lag sie mit Frederik in der Nähe des Hauses in einer Blumenwiese umgeben von grünem Gras und gelben Kamillen mit den Augen zum blauen Himmel – zwei glückliche Kinder.
Das Mädchen und die Tiere im Käfig
Das Mädchen saß auf der Terrasse und sah einem Eichhörnchen zu, das von Ast zu Ast hüpfte. Als das flinke Tierchen genug davon hatte, ließ es sich den Stamm hinabgleiten um dann abwechselnd auf der Vorder- und Rückseite des Stammes nach oben zu schnellen. Das gefiel dem Mädchen, besonders aber der Blick des kleinen putzigen Tierchens, das beim kleinsten Geräusch seinen Kopf zurückwarf und das Mädchen schelmisch ansah und in den Wipfeln des Baumes verschwand.
Einige Tage später, als sie mit ihrer Mutter durch die Stadt schlenderte, fiel ihr Blick in das Schaufenster eines Zoogeschäftes. In einem Käfig turnte ein hektischer kleiner Hamster in einem roten Plastikrad. Auch er hatte ein niedliches Gesicht, auch sein Blick traf das Mädchen, das plötzlich stehen blieb und ihre Mutter fragte: „Mama glaubst du, dass das kleine Tier sich in diesem kleinen Käfig wohlfühlt?“ Die Mutter hatte keine Antwort parat und vertröstete die Kleine indem sie sagte:
“ Frag doch deinen Opa, der weiß alles über Tiere.“ Am nächsten Tag, als sie auf der Schaukel saß und ihr Opa sich als „Anschieber“ nützlich machte, fragte sie diesen:
„Opa fühlen sich Tiere wohl, wenn sie eingesperrt sind?“
Dies war eine schwierige Frage und ihr Großvater musste ausholen, um keine falsche Antwort zu geben:
Weißt du neugieriges Kind vor Tausenden von Jahren, als die Menschen in Höhlen lebten, waren alle Tiere frei. Manche haben freiwillig die Nähe des Menschen gesucht, die meisten hat der Mensch aber gezähmt und zu Haustieren gemacht. Für diese trägt er die Verantwortung, er muss sie ernähren, pflegen und darf ihnen kein Leid zufügen.“
„Weiß das Bea auch, da sie immer motzt, wenn ihr Futternapf leer ist? Ich habe gedacht sie ist ein Familienmitglied.“
„Ist sie auch“, sagte der Alte und dachte dabei an die vielen Hunde, die in Zwinger sitzen und aus Verzweiflung den ganzen Tag kläffen und an die vielen überfüllten Tierheime.
Da er das Kind mit diesen traurigen Gedanken nicht überfordern wollte, fuhr er fort:
„Dann gibt es noch die wilden Tiere, die in freier Natur leben, die niemand gehören nur sich selbst. Sie brauchen keinen Menschen, der sie füttert, sie suchen sich ihre Nahrung selbst und haben in der Natur die gleichen Rechte wie der Mensch.“ Dabei fielen ihm wieder die vielen ausgestopften Tiere und Geweihe in der Wohnung eines Bekannten ein, doch auch darüber schwieg er.
Beim nächsten Zoobesuch, fragte ihn die Kleine: “Opa, ist dieser Elefant ein Haustier?“
Jetzt half auch kein Schweigen. „Nein Kind, der Elefant ist der König der Savanne und er gehört in die Freiheit, genau wie der Löwe, der Tiger und viele andere Tiere hier.
Wie schön wäre ein Zoo als Streichelzoo mit putzigen Ziegen und Ponys und gackernden Hühnern und watschelnden Enten.
Jetzt hatte er das Kind nachdenklich gemacht, vielleicht mehr als er wollte.
Am Abend als Bea, sie mal wieder knurrend zum Spielen aufforderte sagte sie: „Gut, dass du kein wildes Tier bist, mit wem sollte ich denn toben, Quatsch machen oder schmusen.
Osterhasen aus Frankreich
Jeden Morgen, wenn Opa mit den Hunden Bisou und Jela in Frankreich auf den Feldern am Rande eines Sees mit vielen Enten und Flamingos spazieren geht, sieht er viele Kaninchen, die schnell in ihren Bau huschen, wenn sie die Hunde sehen.
Und Opa zählt jedes Mal, wenn er ein Kaninchen sieht: Ein Osterhase für Paula, ein Häschen für Frederik und manchmal kommen ganz schön viele Hasen zusammen bis sie ihren Spaziergang beendet haben.
Manchmal verzählt er sich auch, denn er muss zwischendurch mit Jela schimpfen, wenn sie mal wieder den Versuch macht, ein Kaninchen zu jagen: „Das sind doch die Osterhasen von Paula und Frederik und die werden nicht gejagt “ sagt er dann, was Jela nicht in den Kopf will, sie ist nämlich sauer, da ihr Opa mal wieder den Spaß verdorben hat.
Eine Kaninchenmutter, die mit ihren fünf Kleinen jeden Morgen zum Kanal wandert, da morgens das Wasser noch frisch ist und so besser schmeckt, beobachtet täglich den Mann, der Kaninchen zählt.
Eines Tages nimmt sie ihren ganzen Mut zusammen, nähert sich Opa und fragt ihn: „Warum zählst du denn jeden Morgen die Kaninchen?“
Opa erzählt ihr die Geschichte von seinen beiden Enkeln Paula und Frederik, die in Deutschland wohnen und für die er Osterhasen zähle.
„Gibt es in Deutschland keine Osterhasen?“, fragt die Hasenmutter neugierig.
Opa antwortet ihr: „Es gibt noch kaum welche, sie sind in Deutschland sehr selten geworden.“
„Und wie bekommen die Kinder dann ihre Ostergeschenke“, wundert sich die Hasenmutter. „Die Kinder in Deutschland haben doch bestimmt auch Ostergeschenke verdient“.
„Was wünschen sich denn deine Enkelkinder Paula und Frederik vom Osterhasen?“, fragt die neugierige Häsin weiter.
„Ich glaube, Paula wünscht sich ein Buch: „Der Hase mit der blauen Nase“ und vielleicht ein Ostermalbuch. Über Werkzeuge zum Gemüsepflanzen für ihren Garten am Kastanienberg, darüber würde sie sich vielleicht auch freuen und Frederik, da er noch sehr klein ist, würde mit einem Knisterbuch viel Spaß haben.“
Die Hasenmutter huscht mit ihren Häschen davon, denn Bisou und Jela schienen ihr nicht geheuer zu sein, obwohl Opa sie angeleint hat, um die Häschen nicht zu erschrecken.
An den folgenden Tagen, fand an allen Kaninchenbauten ein reges Treiben statt. Opa konnte sich nicht erklären, was die kleinen Osterhasen vorhatten.
Aus der Ferne sah man, dass sie Löwenzahnblätter zu einem Bündel zusammenschnürten, leere Schneckenhäuser mit Wasser füllten, so als würden sie Proviant für eine längere Reise zusammentragen.
„Was habt ihr vor? Wollt ihr umziehen?“, fragte Opa, doch er bekam keine Antwort.
Ein kleines Häschen sagte nur: „Wenn du es wüsstest, wäre es keine Überraschung mehr.“ Doch ein zweites Plapperhäschen erzählte unter vorgehaltener Pfote, dass sie eine Gruppe aus den flinksten und schlauesten Häschen zusammengestellt hätten, die sich nach Deutschland aufmachten, um den deutschen Kindern ihre Ostergeschenke zu bringen.“
Natürlich entlockte das kleine Häschen Opa noch die Anschrift von Paula und Frederik in Neckargemünd.
Und am Ostersonntag, da staunten Paula und Frederik nicht schlecht, denn vor ihrer Tür stand ein Körbchen und, gepolstert auf grünem Gras, lagen die Geschenke für Paula und Frederik und für Mama und Papa war auch etwas dabei. Komisch, dass auch ein Glas grüner Oliven mit/ohne Stein für Paula dabei war. Woher die Hasen nur so genau Paulas Geschmack kannten?
Von den Osterhasen fehlte aber jede Spur.
Wer aber in Neckargemünd das Elsenzufer entlang lief, sah gelegentlich flinke graubraune Häschen durch das Gras hoppeln und Gras zu Bündeln zusammenschnüren. Wahrscheinlich Nahrung für die lange Reise zurück nach Frankreich.
Als Opa wieder im Herbst mit den Hunden in Frankreich durch die Felder lief, traf er erneut auf die Hasenfamilie. Er bedankte sich nachträglich noch herzlich für die Ostergeschenke von Paula und Frederik.
Der Hasenvater streckte seinen Kopf aus dem Bau und rief: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei. Die Kinder in Deutschland haben auch ein Anrecht auf Ostergeschenke und besonders Paula und Frederik“.
Der verletzte kleine Vogel
Eine kleine bunte Meise saß mit ihren Geschwistern wohlbehütet in einem Nest auf dem alten Kirschbaum.
Die Meiseneltern brachten regelmäßig Würmer und Insekten aus dem Gestrüpp vom Rande des Teiches, um die hungrigen Mäuler zu stopfen.
Von Tag zu Tag wurden die Meisenkinder hungriger aber auch neugieriger, denn die Welt um sie herum interessierte sie sehr. Zwischendurch wagten sie sich bis an den Rand des Nestes vor und wenn eine freche Hummel vorbeischwirrte schnappten sie nach ihr. Besonders eines der Meisenkinder, dessen Gefieder noch bunter war als das seiner Geschwister, war sehr wagemutig und hüpfte sogar auf einen Ast ganz in der Nähe des Nestes.
Und so nahm das wenig erfreuliche Geschehen eines Tages seinen Lauf:
Das bunte Meisenkind hielt mal wieder nach Hummeln Ausschau und trillerte frech ein Lied, das klang noch etwas holprig, denn die Kleine versuchte den Gesang seiner Eltern nachzuahmen, als ein flinkes Eichhörnchen, das aus Langeweile auf dem Kirschbaum herumturnte ganz nahe an der kleinen Meise vorbeihuschte.
Zu Tode erschrocken bewegte die kleine bunte Meise ihre Flügel und flatterte verzweifelt davon. Da sie aber noch nicht richtig fliegen konnte, landete sie unsanft auf der harten Umrandung des Teiches und es kam noch schlimmer, denn ihr eines Beinchen, das noch so dünn wie ein Bindfaden war, tat höllisch weh, so dass sie verzweifelt regungslos liegen blieb.
Das Mädchen Paula, das auf der Terrasse saß und ungeduldig den Kirschbaum beobachtete, denn sie konnte es nicht abwarten, bis die Kirschen endlich rot sind, sah entsetzt das Unglück der kleinen Meise.
Sie rief ihren Bruder Frederik und vorsichtig näherten sie sich der verletzten kleinen Meise.
Das Mädchen Paula nahm den kleinen Vogel behutsam zwischen ihre Handflächen so dass die Beinchen frei nach unten hingen. Die Meise konnte ihre kleinen Füße bewegen und Paula dachte „gut, dass sie durch den Aufprall nicht gebrochen sind“.
Sie bat ihren Bruder Frederik ihr ihren kleinen Arztkoffer zu bringen.
Sie reichte Frederik die kleine Meise und bat ihn sie äußerst vorsichtig zu halten, was Frederik natürlich auch tat.
Sie nahm eine Salbe gegen Schmerzen aus dem Koffer und strich sie der Meise auf das verletzte Bein, dann legten sie ganz vorsichtig einen Verband um das kranke Bein.
Gut, dass ihr Papa gerade aus der Schule kam, denn er half den beiden aus einer Obstkiste einen Notkäfig zu bauen.
Die Mama der Kinder sah ihnen zu und fragte nur beiläufig: „Und was soll der arme verletzte Vogel jetzt fressen?“
Und ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sie sich ins Auto und fuhr zum Zoogeschäft und kam mit einer Packung Mehlwürmer zurück.
Frederik waren die kleinen Würmer am Anfang nicht geheuer, doch Paula nahm sie mit einer Pinzette und hielt sie der kleinen bunten Meise vor den Schnabel. Diese schnappte sofort nach dem Leckerbissen. Mit einer Pipette träufelten sie der kleinen Meise einige Tropfen Wasser in den Schnabel, denn die Mehlwürmer machen auch durstig.
Die kleine bunte Meise war jetzt in ihrem Käfig Gast in Paulas Zimmer. Frederik besuchte sie von Zeit zu Zeit und half beim Füttern oder er streichelte sie, wenn Paula den Verband wechselte und wieder von der Salbe auf das verletzte Bein auftrug.
Nach einigen Tagen hüpfte die Meise schon munter im Käfig herum und flatterte kräftig mit ihren Flügeln.
Eines Morgens sagte Paula: „Kleine bunte Meise, ich glaube jetzt bist du gesund und du kannst zu deinen Meiseneltern und Meisengeschwistern zurückkehren, sonst werden sie dich nicht mehr wiedererkennen und eine Meise ist nun mal kein Haustier sondern ein Wildvogel, der sich nur in der freien Natur wohlfühlt.“
Sie begutachtete noch einmal das verletzte Bein und strich vorsichtshalber noch etwas von der wohltuenden Salbe auf die verheilte Stelle, dann öffnete sie das Fenster und die kleine Meise schwebte davon.
Von Zeit zu Zeit aber wenn Paula und Frederik auf der Terrasse saßen, kam sie mal kurz vorbei und holte sich einen Mehlwurm ab.
Im Wegfliegen trillerte sie ein Meisenlied und Paula meinte, die kleine Meise würde Danke sagen.
Die schwarze Amsel mit dem gebrochenen Flügel
Im Sommer herrscht im Garten ein reges Treiben, denn die vielen Vögel sind von morgens bis abends dabei Futter für ihre Jungen herbei zu schaffen.
Die braunen Rotkehlchen mit ihrem roten Schwanz wippen ständig herum, um Insekten aufzustöbern, die Buchfinken mit ihren weiß- blauen Flügeln suchen am Teich nach Mücken, die Blaumeisen, die Kohlmeisen und die lustigen Schwanzmeisen fliegen um die Wette und schaffen im Minutentakt Nahrung für die Kleinen heran. Die Amselväter suchen den Rasen nach Würmern ab, während die Amselmütter das Nest bewachen und jeden Eindringling, der sich den Kleinen nähert mit viel Geschrei verscheuchen.
Besonders die Turmfalken, die auf dem Kirchturm hausen, sind für die Amseln sehr gefährlich, denn sie sind ständig auf der Suche nach Vogelküken, die sich im Gebüsch verirrt haben.
Meist sitzen die Räuber, die ganz harmlos aussehen, in den Wipfeln der höchsten Tannen des Gartens und halten Ausschau nach kleinen Vögeln.
Bekommt die Amselmutter einen Falken zu Gesicht, legt sie sofort richtig los und beginnt zu schimpfen.
In der Sprache der Menschen würde sich das ungefähr so anhören: „Verzieh dich du böser Kerl und lass unsere Jungen in Ruhe, friss deine eigenen Kinder du Schurke“.
Alarmiert durch das Geschrei der Amsel, eilen dann alle anderen Vogeleltern herbei und fliegen mutig um den Raubvogel herum, um ihn zu verscheuchen.
Auch die Amselmutter und der Amselvater sind dabei.
Doch eines Tages als der Amselvater im eigenen Garten keine Würmer mehr fand, versuchte er es in den Wiesen oberhalb der Wohnsiedlung und als der Turmfalke wieder anrückte, war die Amselmutter auf sich allein gestellt.
Und diesmal näherte sich der Räuber besonders nahe dem Amselnest. Die Amselmutter vergaß jede Vorsicht, stürzte aus dem Nest direkt in Richtung Turmfalke.
Darauf hatte dieser nur gewartet. Er flog hoch und versuchte die Amselmutter mit seinen scharfen Krallen zu packen.
Die anderen Vögeln des Gartens sahen das Unheil und flogen alle herbei um der Amselmutter zu helfen, so dass diese verletzt dem Räuber entkommen konnte.
Dieser war von der Überzahl der Vögel, die ihn wie eine dichte Wolke umschwirrten, beeindruckt und suchte das Weite.
Erschöpft und ratlos setzte sich die verletzte Amselmutter auf den Gartenzaun. An Fliegen war nicht zu denken. Ihr einer Flügel tat sehr weh.
Hätten die Vögel im Garten eine Vogelklinik oder einen Vogelarzt gehabt, wäre der Amselmutter sofort geholfen worden. So mussten sich die Vögel erst beraten, was zu tun ist.
Die kleine Meise, die mit ihrem verletzten Bein einige Tage im Käfig von Paula verbracht hatte, erinnerte sich sofort an das freundliche Mädchen und ihren lieben Bruder Frederik.
Bringen wir die verletzte Amsel zu den Kindern, sie werden uns bestimmt helfen. Mit vereinten Kräften hüpften die Vögel mit der schwarzen Amsel mit dem gebrochenen Flügel von Strauch zu Strauch bis zum Fensterbrett vor Paulas Zimmer.
Diese hörte die Aufregung der Vögel und öffnete das Fenster. Jetzt war für sie alles klar.
Sie rief Frederik, sie nahmen den Vogel in ihre Obhut und wie sie es bei der Meise mit dem verletzten Bein getan haben, verarzteten sie jetzt den Flügel der schwarzen Amsel.
Wunde säubern, Wundsalbe auftragen, Verband anlegen.
Als sie fertig waren, wollte die Meise sofort zurück zu ihren Jungen.
Doch Paula erklärte ihr, dass jetzt an Fliegen mit gebrochenem Flügel gar nicht zu denken sei.
Sie schickte Frederik mit der Bitte in den Keller, ihr die Obstkiste zu bringen, die Papa vor einigen Wochen als Käfig für die verletzte Meise bastelte.
Zu Frederik sagte sie: “Bald können wir an unser Haus das Schild „Vogelklinik“ anbringen, wenn das so weiter geht. In Wirklichkeit aber freute sie sich, dass die Vögel ihre Hilfe suchen.
Die schwarze Amselmutter piepste energisch als sie die Kiste sah, denn sie wollte zurück zu ihren Jungen.
Paula, die ihr Piepen verstand, erklärte ihr, dass sie zuerst gesund werden müsse und dass sie und Frederik sich natürlich auch um die Jungen kümmern werden.
Die schwarze Amsel fügte sich erschöpft ihrem Schicksal.
Und wieder musste Paulas Mama ins Zoogeschäft, um Mehlwürmer zu besorgen.
Diese legten Paula und Frederik dem schwarzen Amselvater in die Nähe des Nestes, so dass dieser sie nur aufgreifen musste, um seine kleinen Piepkinder zu füttern.
Nach einigen Tagen war der Spuk vorbei, die Amselmutter war wieder gesund und konnte zu ihrem Nest zurückkehren.
Und jeden Morgen sang eine schwarze Amsel als Dank vor Paulas Fenster.
Ob es die Amselmutter, der Amselvater oder ein Amselkind war, wusste Paula nicht so genau, denn sie waren ja alle pechschwarz.
Das Einhorn, das Keinhorn und das Zweihorn
Die Geschichte handelt von dem Einhorn, dem Pferd, da es keine Hörner hat -genannt Keinhorn und der Kuh, da sie zwei Hörner hat- genannt Zweihorn und natürlich von den beiden mutigen Kindern Paula und Frederik.
Auf einer Weide graste an einem schönen Sommertag eine Milchkuh. Sie war bemüht so viel Gras wie möglich zu verschlingen, um ihren Magen zu füllen, denn der Bauer erwartete von ihr, dass am Abend, wenn sie gemolken wird, reichlich Milch in den großen Eimer fließt.
Auf einer angrenzenden Wiese trabte ein Pferd ewig im Kreis herum, um sich in Form zu halten. Es wusste, dass sein Besitzer jeden Nachmittag ausreiten möchte und dazu musste es fit sein.
Der Kuh ging das unsinnige im Kreis Laufen auf die Nerven und sie rief dem Pferd zu: „Hallo du Keinhorn, wozu das verrückte Herumtraben? Wenn Du Hörner hättest, könntest du dich gegen deinen Reiter wehren, wenn er dich nur zum Spaß über die Felder scheucht.“
Das Pferd war auch nicht auf den Mund, oder besser auf sein Maul gefallen und entgegnete der Kuh: “Du Rindvieh friss brav dein Gras, damit der Bauer mit deiner Milchleistung zufrieden ist, sonst macht er noch Wurst aus dir. Dann nützen dir deine Hörner auch nicht.“
Vertieft in ihren Streit bemerkten beide nicht, dass plötzlich ein sonderbares Wesen mit einem weißen Fell und einer langen wunderbaren Mähne und einem großen spitzen Horn am Oberkopf plötzlich wie aus dem Nichts auch auf der Wiese stand. Das Horn war schneckenartig gedreht und vorne spitz zulaufend Es war weiß und bestimmt einen halben Meter lang.
Als die beiden das wundervolle Geschöpf wahrnahmen, waren sie zuerst verblüfft. Die Kuh hörte auf zu grasen und das Pferd hielt in seinem Lauf inne.
Die Kuh fand zuerst ihre Sprache wieder und fragte das fremde Tier:
„Bist du etwa ein Rind mit einem Horn“.
„Dazu ist es zu schön“, entgegnete das Pferd boshaft.
Und das Pferd fuhr fort: „Du schönes Pferd, wieso ist dir ein Horn gewachsen?“
Das fremde Wesen antwortete: „Ich bin kein Pferd und bin kein Rind, ich bin ein Einhorn.“
Und wie im Chor fragten beide: „Und woher kommst du?“
Das Einhorn antwortete: „Neben eurer Welt gibt es noch eine andere Welt. Ich komme aus der Märchenwelt.“
„Und welches ist deine Bestimmung, wer ist dein Besitzer, wozu bist du nützlich?“ fragten beide.
Das Einhorn antwortete: “Ich gehöre mir selbst und keiner kann mich einfangen. Und wenn ich mich einfangen lasse, nur von einem lieben Kind aus eurer Welt und das ist auch der Grund warum ich hier bin.“
Von Zeit zu Zeit sehne ich mich nach weichen Kinderhänden, die mich streicheln und dann darf das liebe Kind, das ich mir ausgesucht habe, auf meinen Rücken steigen und ich trage es in die Märchenwelt und zeige ihm die Wunder meiner Welt.“
„Und warum hast du gerade bei uns angehalten?“ fragte das Pferd.
„Weil ich auf der Suche nach dem Mädchen Paula bin, das sehr lieb sein soll, es soll mit Vögeln fliegen können und wenn diese krank sind, soll es sie gesund pflegen, es soll Blumen mögen und freundlich zu anderen Kindern sein und Paula soll besonders lieb zu ihrem kleinen Bruder Frederik sein. Sie soll angeblich auf dem Kastanienberg wohnen“
Das Pferd wusste Bescheid, das war die Straße nahe am Wald, wo es öfter mit seinem Reiter auf Tour war. „Ich kenne das Mädchen Paula“, sagte das Pferd, es hat mich einmal auf der Koppel besucht und obwohl es etwas Angst hatte, wahrscheinlich, weil ich so groß bin, hat es mir ganz freundlich zugeflüstert, dass ich ein schönes Pferd bin“
„Und mir hat es einmal zugerufen, dass meine Milch bestimmt sehr gut schmecke“ entgegnete die Kuh.
„So jetzt muss ich weiter und das Mädchen Paula suchen“, sagte das Einhorn.
Und wieder riefen Kuh und Pferd wie im Chor: „Einhorn bitte nimm uns mit in deine Zauberwelt, dort gibt es bestimmt wunderbare Dinge zu bestaunen.“
Freundlich entgegnete das Einhorn: „Vielleicht das nächste Mal, jetzt habe ich mich nun mal auf das Mädchen Paula eingestellt.“
Als das Einhorn auf dem Kastanienberg ankam, stand Paula im Garten, so als hätte sie schon auf das Zaubertier gewartet.
Und dennoch staunte sie nicht schlecht, als sie das Einhorn mit seinem glänzenden weißen Fell, seiner seidigen Mähne und seinem kunstvoll gedrehtem Horn sah.
„Bist du bereit Paula? Wollen wir losreiten? Ich will dir die Wunder der Märchenwelt zeigen“, sagte das schöne Tier.
Das Mädchen Paula fand die Worte wieder und sagte nur:
„Ja schon, ich freue mich darauf, nur eine Bitte habe ich noch, mein kleiner Bruder Frederik ist sehr neugierig und würde gerne mitreiten.“
„Wenn es dein Wunsch ist, Paula, soll er auch auf meinen Rücken steigen und sich gut an dir festhalten“, sagte das Einhorn.
Als die Kinder Paula und Frederik auf dem Rücken des Zaubertieres saßen, trabte dieses los in Richtung Märchenwelt.
Sie fühlten sich wohl und sie merkten gar nicht wie die Zeit verging.
Sie durchquerten Gebirge, die fast bis zum Himmel ragten und manchmal durchschwammen sie Seen auf dem Rücken des Einhorns. Sie zogen dann ihre Beine hoch, um nicht nass zu werden. Sie kamen durch viele große Städte und kleine Dörfer.
Vor jeder Eisdiele wurde Frederik unruhig und Paula flüsterte dann dem Einhorn etwas ins Ohr und das edle Tier hielt dann vor der Theke des Eisstandes und die Verkäuferinnen nickten lächelnd dem Einhorn zu und reichten drei Becher mit köstlichem Schokoladeeis herüber. Das Einhorn schien bei den Menschen sehr beliebt zu sein. Wahrscheinlich hoffte jeder dass er einmal das Glück hatte auf den Rücken des Einhorns in die Wunderwelt zu reiten wie Paula und Frederik.
Das Eis schien auch dem Einhorn zu schmecken und alle drei genossen die braune Köstlichkeit. Doch sie setzten ihren Weg fort, denn sie hatten ein Ziel und Trödeln war nicht angesagt.
Nach sieben Tagen Ritt standen sie plötzlich an der Küste eines großen dunkelblauen Meeres. In der Ferne sah man hohe Wellen, die sich aufbäumten, aber je näher sie dem Ufer kamen, umso zahmer wurden sie und sie und als sie die goldenen Hufen des Einhorns berührten waren, war nur ein fast liebliches Plätschern zu hören.
Soweit sie sehen konnten nur Wasser und nirgends ein Weg noch ein Steg.
Und das Einhorn sprach zu den Kindern:
„Jetzt haben wir unser Ziel fast erreicht, hier ist die Grenze zwischen der normalen Welt und der Wunderwelt, die Welt der hundert Inseln, die weit draußen im Meer liegt.
Und Paula fragte: „Und wie erreichen wir diese Inselwelt?“
„Seht ihr die Strahlen der Sonne, die eine goldene Straße bilden, die weit hinten im Meer beginnt, über diese Sonnenstraße werden wir jede der Wunderinseln erreichen, lasst euch überraschen und keine Angst, vor dem Wasser, wir werden es nicht spüren denn wir werden auf den Sonnenstrahlen weiter ziehen. Lasst uns aufbrechen“ antwortete das Einhorn und sie zogen los.
Im Kinderland
Am Ende des Sonnenweges erblickten Paula und Frederik eine grüne Insel mitten im Meer.
„Das ist das Kinderland, wollen wir anhalten?“ fragte das Einhorn.
Die beiden Kinder nickten, denn sie waren neugierig zu sehen, wie eine Welt aussieht in der nur Kinder leben.
Als sie die Insel betraten hatten Paula und Frederik das Gefühl, als hätte man sie schon erwartet. Doch sie lagen falsch. Die Kinder drängten sich um das Einhorn, um es zu streicheln, dass Paula und Frederik hier waren schien für sie selbstverständlich. Das Einhorn flüsterte Paula zu: „Auch ihr seid Kinder, diese Wunder - Kinderwelt ist auch eure Welt. Fühlt euch zu Hause.
Paula nahm den kleinen Frederik bei der Hand und sie gingen auf Erkundungstour.
Überall sahen sie freundliche Kinder, die sich selbst beschäftigten. Alle Hautfarben waren vertreten. Rotschöpfe mit blasser Haut, dunkelhäutige Kinder aus Afrika, zierliche kleine Japaner oder Chinesen, es war ein buntes Bild, das sich ihnen bot und das Besondere war, dass sie alle lieb zueinander waren.
Auf einer Wiese spielten einige Mädchen und Jungs mit einem Ball. Auf einer Anhöhe zimmerten einige Kinder an einem Spielhaus. Am Strand waren einige Mädchen dabei ihre Boote ins Wasser zu lassen. Unter einem schattigen Baum saßen fünf Jungs mit ihren Malbüchern. Sie hatten allerlei bunte Farben dabei und Frederik hätte gerne mitgemacht, doch Paula zog ihn weiter, da sie zu neugierig war, was es sonst noch zu sehen gibt.
An einer abgelegenen Stelle stand eine Tafel und mehrere Kinder waren mit ihren Computer beschäftigt.
„Gefällt euch unsere Wunder Schule“, rief ihnen ein Mädchen zu.
„Schön so eine Schule unter freiem Himmel, doch wo sind eure Lehrer“ entgegnete Paula.
„Es ist ganz einfach, wir brauchen kein Dach über unserer Schule, denn im Kinder- Wunderland scheint immer die Sonne und wenn es kurz mal regnet, fangen die Sonnenstrahlen sofort die Regentropfen auf und Lehrer brauchen wir keine, denn die großen Kinder geben ihr Wissen an die Kleinen weiter und das macht so viel mehr Spaß“, antwortete das Mädchen.
Sie kamen an einem Tisch, mit vielen reich gefüllten Obstkörben vorbei und Frederik war nicht mehr zu halten. Paula ermahnte ihn: „Du musst zuerst fragen, ob du dich bedienen kannst“. Ein kleiner Junge, der das Gespräch der beiden zufällig mitbekam sagte: „Bedient euch es ist doch selbstverständlich, wer bei uns Hunger hat, der muss auch essen. Bei uns gibt es keine Kinder, die mit hungrigem Magen zu Bett gehen müssen.“
„Woher habt, ihr diese herrlichen Früchte“, fragte Paula.
„Wir werden reichlich beschenkt von der Wunder – Pflanzeninsel, die ganz nahe nur einige Sonnenstrahlen weit weg liegt und wo wir den Bäumen helfen, sie von den trockenen Ästen zu befreien, damit sie mehr Sonnenlicht bekommen. Sie besteht nur aus Bäumen, Sträucher und Gräser, doch jetzt greift endlich zu“, sagte der Junge.
Paula und Frederik aßen saftige Kirschen, süße Erdbeeren und reife Orangen.
Als sie satt waren setzten sie ihren Rundgang fort.
Sie waren beeindruckt von dieser Wunder Kinderinseln und was ihnen besonders auffiel, dass alle Kinder freundlich zueinander waren, keinen Streit, keine Schimpfworte oder Beleidigungen, keine Kinder, die traurig waren oder weinten.
„Eine schöne Welt, danke, dass du sie uns gezeigt hast“, sagte Paula als sie wieder beim Einhorn waren, das es sich im warmen Sand bequem gemacht hatte.
„Wir können in dem geräumigen Spielhaus übernachten, das die Kinder gezimmert haben und morgen ziehen wir weiter. Und du Paula musst entscheiden ob wir die Wunderwelt der Blumen oder die Tiere Wunderwelt besuchen werden. Bitte teile mir morgen früh deine Entscheidung mit.
Es gibt noch viele wundervolle Dinge, die ich euch zeigen möchte“, sagte das Einhorn.
Die Wunderwelt der Tiere
Das Mädchen Paula hatte nach einem Gespräch mit ihrem Bruder Frederik entschieden, dass sie das Einhorn bitten werden, ihnen die Wunderwelt der Tiere zu zeigen.
Dieses war damit einverstanden und so zogen sie am nächsten Morgen, nachdem sie sich von den Kindern verabschiedet hatten auf der Sonnenstraße weiter Richtung der Wunderinsel der Tiere.
Es war eine angenehme Reise, denn der Sonnenweg war warm und eben.
Gegen Mittag hatten sie ihr Ziel erreicht.
Die Tiere wussten scheinbar über ihre Ankunft Bescheid, denn sie wurden bereits von einem Empfangskomitee begrüßt: es bestand aus einem alten Elefanten auf dessen Rüssel ein Eichhörnchen saß und einem schwarzen Fohlen mit hellen Ohrenspitzen.
Nachdem Frederik vom Rücken des Einhorns auf den Rücken des Fohlens überwechselte zogen sie los. Und sie trauten ihren Augen nicht. Alle Tiere verhielten sich friedlich, es gab kein Gekeife, keine Beißereien oder Knurren.
Auf einer Wiese spielten drei kleine Wolfswelpen mit einer Herde wilder Schäfchen, zwei ausgewachsene Wölfe und ein Schafbock schauten zu.
Paula sagte zu Frederik:
„Von wegen Märchen der Menschen vom bösen Wolf, der die Schäfchen frisst, alles nur eine Erfindung der Menschen.“
Sie liefen weiter und sahen wie ein alter Fuchs eine Schar Gänse zum Fluss begleitete. Und Paula sagte wieder:
„Auch die Geschichte vom Fuchs, der die Gänse stiehlt stimmt nicht.“
Hoch am Himmel übten ein Habicht und einige Tauben ihre Flugkünste und Paula erinnerte sich an Opas Geschichten von den Tauben aus Bammental, die vom Habicht gejagt werden. Auch eine erfundene Geschichte, fragte sich Paula.
Der alte Elefant merkte, dass das Mädchen Paula viele unbeantwortete Fragen mit sich herum trug und er verstand sie und versuchte ihr diese Inselwelt zu erklären.
„Was ihr hier sehen könnt, ist eine Welt, wie sie sein könnte, ein Ort an dem alle Geschöpfe friedlich zusammenleben, so wie es auch in der Welt aus der ihr kommt, sein könnte. Es gibt auch in euer Welt keine bösen Tiere, doch viele unglückliche, weil sie niemand mag und sie deshalb verscheucht werden “
Sie zogen weiter und sahen Löwen, die Giraffen- und Antilopenbabies bewachten, während ihre Eltern am Rande des Meeres grasten, sie sahen Luchse, die mit Kaninchen durch die Welt zogen, Katzen, die von lustigen Mäuschen geneckt und zum Spielen aufgefordert wurden, sie sahen Jagdhunde, die mit Hasen auf einer Laufstrecke um die Wette liefen und den Kürzeren zogen, da die Hasen schneller waren.
Am Wegrand sahen sie eine Stute, die ein Tigerbaby an ihren Zitzen trinken ließ, da die Tigermutter nicht genug Milch für den kleinen Vielfraß hatte.
Die Nacht verbrachten sie zwischen einer Herde Elefanten unter freiem Himmel. Paula kuschelte sich an das Einhorn und versuchte nach diesem anstrengenden Tag zu schlafen.
An Schlaf war aber nicht zu denken, denn ein kleines Elefantenmädchen, das an Frederik einen Narren gefressen hatte, kitzelte diesen ständig mit dem langen Rüssel, so dass dieser ständig quietschte.
Paula freute sich bereits auf den kommenden Morgen, denn ihre Reise wird weitergehen in die Wunderwelt der Blumen und der Pflanzen.
Die Blumeninsel
Sie zogen am nächsten Tag auf dem Sonnenpfad über dem Meer der Blumeninsel entgegen.
Die Pracht der vielen Blüten strahlte weit in das Meer hinaus und Paula sagte zu Frederik: „Das muss die unberührte Welt der Blumen und der Pflanzen sein.“
Als sie näher kamen strömte ihnen ein betörender Duft entgegen. Bunte Rosen, gelbe Dahlien, blaue Hyazinthen, herrlicher Lavendel und viele andere Blumen vereinten ihre Düfte zu einem herrlichen Bouquet.
Eine sanfte Sonne bestrahlte eine grüne Weide mit bunten Wiesenblumen. Gelber Löwenzahn.
Als das Einhorn unbekümmert zu grasen begann, guckten Paula und Frederik etwas verblüfft. Das Einhorn lachte nur und sagte: „Schön, dass euch das Gras am Herzen liegt, doch keine Angst, bis morgen wird es wieder nachgewachsen sein. Sonne und Feuchtigkeit sorgen dafür.“
Nachdem das Einhorn noch einige Löwenzahnblätter verspeist hatte, zogen sie weiter.
Auf einem Hügel standen einige Apfelbäume mit purpurroten Äpfeln. Frederik sah fragend das Einhorn an. Dieses sagte: „Los pflückt euch welche, ihr müsst am Verhungern sein. Merkt ihr nicht, wie sich die Äste der Bäume unter der Pracht biegen. Ihr tut ihnen einen Gefallen, wenn ihr sie etwas von dem Gewicht befreit.“
Jetzt waren Paula und Frederik dran ihren Hunger zu stillen. Das Einhorn wartete geduldig, bis beide satt waren, dann zogen sie weiter.
Vor ihnen lag ein Wald mit riesigen Bäumen. Kletterpflanzen rankten sich die Stämme empor. Im feuchten Moos am Fuße der Bäume wuchsen Pilze:
Auf dem Boden lagen Kastanien verpackt in stachligen Hüllen. Frederik wollte sie eisammeln und jaulte sofort auf, denn er hatte sich am Finger verletzt.
Paula sammelte Eicheln. Sie konnte diese gut gebrauchen um im Kindergarten lustige Figuren zu basteln.
Ein schmaler Steg führte zu einer schattigen Lichtung.
Hier ruhten sie sich aus. Das Einhorn hatte es sich unter einer schattigen Eiche gemütlich gemacht, Frederik bewunderte die kleinen blauen Veilchen, die durch das Grün der Waldwiese schimmerten und Paula lag im grünen Gras und genoss die Wärme. Und plötzlich erinnerten sie die Sonnenstrahlen an den Urlaub mit Mama und Papa bei Opa in Südfrankreich und sie hatte ganz vergessen, dass sie und Frederik mit ihren Eltern auch diesen Sommer wieder zu Opa nach Südfrankreich fahren wollten und bestimmt würde Oma schon mit ihrem Schoko- Kirschkuchen auf sie warten.
Das Einhorn verstand ihren Wunsch nach Hause zurückzukehren und am nächsten Morgen brachen sie auf. Auf dem Sonnenweg über das Meer und wieder sieben Tage ritten sie über hohe Berge durchquerten grüne Täler, zogen durch Dörfer und Städte bis sie eines Abends wieder etwas erschöpft auf dem Kastanienberg ankamen.
Die Eltern freuten sich über die Rückkehr der Kinder, die versprechen mussten am nächsten Tag ausführlich über ihre wunderbare Reise zu berichten.
Natürlich baten die Kinder das Einhorn bei ihnen zu übernachten, was das Zaubertier aber dankend ablehnte: „Ich werde die Nacht auf der Wiese bei der Kuh, dem Zweihorn und dem Pferd, dem Keinhorn verbringen. Es wird bestimmt lustig werden, wenn die beiden sich wieder in die „Wolle“ kriegen. Vielleicht habt ihr gesehen, dass ich auf einer Zauberwiese ein Büschel goldenen Klee für die beiden gepflückt habe. Die beiden freuen sich immer über Geschenke. Am meisten aber würde mich freuen, wenn sie sich endlich vertragen würden.“
Paula umschlang den Hals des Einhorns und Frederik drückte ihm ein Kuss auf das goldene Horn und sie bedankten sich für diese herrliche Reise. Die bunte Mäuseschar und die junge Giraffe An einer befahrenen Straße in der Nähe des Kastanienberges wollten eines Morgens am Ende der Sommerferien die Kinder Paula und Frederik die Straße überqueren. Sie mussten warten, da die Ampel lange auf Rot stand. Das taten die beiden Kinder auch und so hatten sie Zeit zu beobachten, was sich in ihrer Umgebung abspielte. Plötzlich sagte Paula zu Frederik: „Sieh mal die vielen Mäuse, die sich dort unter dem Baum versammelt haben!“ Es waren hunderte von Mäusen in allen Farben: graue, weiße, gescheckte, ja sogar eine rosa Maus war dabei. Manche waren ganz groß, andere recht winzig. Frederik fragte seine große Schwester: „Wo wollen denn all diese Mäuse hier?“ Paula wusste es auch nicht so genau, sie vermutete aber, dass all diese Mäuse in den Wald am Kastanienberg wollten, um zu überwintern, da es dort zwischen den trockenen Blättern Kastanien in Hülle und Fülle gab und die Mäuse so im Winter nicht hungern müssten. „Kluge Mäuse“ sagte Frederik und Paula ergänzte: „Sie sind wirklich klug und vorsichtig, denn bei diesem starken Verkehr warten sie ab, bis die Straße frei ist.“ „Sie könnten doch hier am Fußgängerübergang, wenn die Ampel auf Grün schaltet, hinüberhuschen“, meinte Frederik. Paula erklärte ihrem Bruder, dass Mäuse keine Menschen sind und keine Ampel kennen würden und scherzhaft fügte sie hinzu: “Bestimmt sind sie auch farbenblind.“ Die Kinder waren so vertieft, die vielen Mäuse zu beobachten, dass sie gar nicht sahen, wie eine riesige Giraffe antrabte. Wie später in der Zeitung zu lesen war, hatte sie in Heidelberg den Zaun des Zoos mit einem Schritt überquert und war danach auf der Neckarwiese den Fluss entlang bis nach Neckargemünd gelaufen. Die Wärter des Zoos berichteten, dass die Giraffe Tage zuvor immer wieder probiert habe, den Wassergraben, der das Giraffengelände abgrenzte, zu überwinden. Es war eine junge Giraffe, die sich nicht mit dem Gelände, das ihr hier im Zoo zur Verfügung stand, abfinden wollte. Sie wollte auch nicht immer von den Zebras, mit welchen die Giraffen ihr Territorium teilen mussten, geärgert werden. Sie wollte frei sein, wie die Vögel, die von Baum zu Baum flogen oder die Enten, die mal einen „Ausflug“ auf den Neckar wagten. Verblüfft sahen Paula und Frederik, dass die Giraffe an der Straße anhielt, ihren Kopf, den sie am langen Hals fast in den Wolken trug, nach unten beugte und die bunte Mäuseschar beobachtete. Urplötzlich legte sie sich vorsichtig auf den Boden und bewegte die Ohren so als würde sie winken. Die Mäuse verstanden ihr Zeichen sofort. Blitzschnell rannten sie alle zur Giraffe und kletterten in Windeseile auf deren Rücken. Die rosa Maus war besonders schlau, denn sie hielt sich mit ihren Mausezähnchen an der Mähne der Giraffe fest. Als alle kleinen Mäuschen einen Platz gefunden hatten, erhob sich die Giraffe, guckte nach links, dann nach rechts und noch einmal nach links, und da kein Fahrzeug in Sicht war, überquerte sie die Straße. Frederiks Rufen „Hier ist doch eine Ampel!“ verstand die Giraffe nicht, aber wahrscheinlich sah sie den Zoohelfer, der ihr außer Atem folgte, um sie einzufangen. „Zu spät“ rief Frederik und die Kinder freuten sich, als sie sahen, dass die Giraffe mit ihrer Mäusefracht kurz danach im Kastanienwald verschwunden war. Als die Ampel auf Grün schaltete, überquerten auch die Kinder die Straße. Frederik rief noch in Richtung Wald „Super gemacht, du kluge Giraffe, viel Glück!“ Paula aber war doch etwas nachdenklich und als sie wieder zu Hause waren, fragte sie ihre Mama, ob die Kastanien vom Kastanienwald wohl für die Giraffe und die vielen kleinen Mäuse reichen würden? Diese versicherte ihr, dass es auch im nahen Bammental einen Wald mit Kastanien gäbe und dass die Giraffe das Gras der vielen Waldwiesen ebenfalls mag. Und außerdem würde sie sich in der Freiheit viel wohler fühlen als eingesperrt im Zoo.